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„Furchtbar langweilig und schlicht nicht lesenswert“

Historiker: „Man muss niemanden vor ,Mein Kampf‘ schützen – heutige junge Generation kommt damit klar“

epd

Der Würzburger Historiker Wolfgang Altgeld hält nichts von einem Verbot von Adolf Hitlers Schmähschrift „Mein Kampf“ nach Ablauf der Urheberrechte durch den Freistaat Bayern ab Januar 2016. Er sei da „vor allem als Staatsbürger“ skeptisch, sagte der Inhaber des Lehrstuhls für Neueste Geschichte an der Universität Würzburg.
Die deutsche Gesellschaft habe drei Generationen lang Demokratie, Freiheit und die Distanzierung von Rassismus und Antisemitismus eingeübt: „Die heutige junge Generation käme mit einer solchen Literatur durchaus zurecht, man muss sie nicht davor schützen.“
Der Professor glaubt nicht, dass viele Nicht-Historiker das Pamphlet in die Hände nehmen wollen: „Es ist vor allem eines: furchtbar langweilig.“ Über weite Strecken sei es „schlicht nicht lesenswert“. Nur die wirklich politischen Passagen seien interessant, „wenn man den aufstrebenden Politiker Hitler verstehen und begreifen will, was er sich vorgenommen hat“. Das Machwerk zeuge „von seinen fixen Ideen“. Hitler habe „wirklich aufgeschrieben, was er tun will, sobald er an der Macht ist. Das tun nur wenige Politiker.“ Und Hitler habe es zum Schrecken der Welt auch umzusetzen versucht.
Wichtig für den schulischen und universitären Unterricht sei deshalb die historisch-kritische Ausgabe von „Mein Kampf“ des Münchener Instituts für Zeitgeschichte, die am 8. Januar präsentiert wird. „In diesem Buch stehen viele Dinge, die mehr als nur grenzwertig sind.“ Hitler formuliere sie in seinem Dreiwort-Satz-Stil derart selbstsicher, dass ein historisch nicht aufgeklärtes Gemüt „das durchaus falsch verstehen kann“. Wer eine Vorprägung habe, werde in dem Buch auch das finden, was er sucht, so der Historiker: „Eine Radikalisierungsgrundlage in Bezug auf Lebensraum, Zuwanderung.“ Altgelds Forschungsschwerpunkte sind die Entwicklung des Nationalismus im deutschen Sprachraum vom 18. bis hinein ins 20. Jahrhundert sowie die Geschichte des deutschen Widerstands von 1933 bis 1945. epd