Pornografie ist für Jugendliche so zugänglich wie nie zuvor – mit teils problematischen Folgen. Ein Medienpädagoge plädiert für eine offene, nicht wertende Gesprächskultur in Familien.
Erziehungsberechtigte unter Druck: Das beobachtet der Medienpädagoge Andreas Büsch angesichts der Verfügbarkeit von Pornografie im Internet. “Sie müssen technische Schutzmaßnahmen einrichten und mit ihren Kindern in den Diskurs kommen”, erklärte Büsch am Freitag bei einer Veranstaltung des Katholisch-Sozialen Instituts im nordrhein-westfälischen Siegburg. Wenn Kinder und Jugendliche ungewollt und zu früh mit Pornografie in Berührung kämen, könnte das zu Überforderung, Verstörung oder sozial-ethischer Desorientierung führen. “Sie könnten denken, das Dargestellte sei normal und die Realität.”
Büsch, der an der Katholischen Hochschule Mainz lehrt, forderte eine “pornokompetentere Gesellschaft”. Denn: “Was früher die ,Bückware’ im Zeitschriftenregal an Autobahntankstellen war, ist jetzt für alle niedrigschwellig zugänglich.” Jugendliche müssten so stark gemacht werden, dass sie frei entscheiden könnten, ob sie einen Porno schauen möchten oder es lieber sein lassen, weil sie wüssten: Das tut mir nicht gut.
Jugendliche Grenzüberschreitung gehöre gleichzeitig zur Entwicklung dazu, sagte Büsch. Er betonte jedoch, dass es kein gesellschaftliches “laissez faire” in Sachen Pornografie und Hypersexualisierung geben dürfe. “Es geht eher um die realistische Anerkennung, dass Pornografie ein gesellschaftliches Phänomen ist und verfügbarer denn je.” Das Ziel müsse sein, eine positive Haltung zur eigenen Körperlichkeit und Sexualität zu fördern. Mit älteren Jugendlichen könnte man auch beispielsweise Produktionsbedingungen oder Geschlechterrollen in pornografischen Filmen reflektieren.
Dass Eltern mit ihren Kindern zu Pornografie ins Gespräch kämen, sei “nicht einfach, weil es von beiden Seiten schambesetzt ist”. Ideal sei, diesen Gesprächen in einer nicht wertenden Beziehung Raum zu geben. “Man kann darüber sprechen, wie er oder sie es wahrgenommen und empfunden hat”, sagte Büsch. Eltern in dieser Hinsicht sprachfähig zu machen, sei enorm wichtig: “Wir brauchen mehr qualifizierende Maßnahmen, auch für junge Menschen.”
Einer Studie der Landesanstalt für Medien NRW aus dem vergangenen Jahr zufolge hat mehr als jeder Dritte zwischen 11 und 17 Jahren schon einen Porno gesehen; der Erstkontakt erfolgt demnach meist zwischen dem 12. und 14. Lebensjahr. Jeder zweite Befragte hat in Pornos wiederum Dinge gesehen, die er oder sie lieber nicht gesehen hätte.