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Freiburger Thoma-Ausstellung “Zwischen Poesie und Wirklichkeit”

Das Freiburger Augustinermuseum stellt das druckgrafische Werk von Hans Thoma ins Zentrum einer großen Werkschau. Dabei ist die kreative Vielfalt des Schwarzwälder Künstlers zu entdecken.

Hans Thoma (1839-1924) ist einer der bekanntesten Schwarzwald-Künstler. Seine Landschaften, Porträts und bäuerlichen Szenen wurden zu Sinnbildern für einen als Gegenentwurf zur Stadt idealisierten Kulturraum. Jetzt zeigt die Ausstellung “Zwischen Poesie und Wirklichkeit” im Freiburger Augustinermuseum die ganze Bandbreite des Bernauer Künstlers. Aus Anlass des 100. Todestags stehen Thomas druckgrafische Arbeiten im Mittelpunkt.

Gezeigt werden verschiedene Drucktechniken wie Lithographie oder Radierung. Spannend zu beobachten ist, wie Thoma ein Motiv in verschiedenen Techniken, auf verschiedenen Papieren und unterschiedlichen Formaten oder Farben variierte. Und damit unterschiedliche Stimmungen spiegelt: Hell gedruckt wirkt die Abendruhe des Bergbauern entspannt, in flammendem Orange gewinnt die Szene etwas Unwirkliches.

Ausstellungsmacher Felix Reuße zeigt Thoma auch als Meister des (Selbst)Porträts – vielfach malte und zeichnete er seine Mutter und seine Schwester. Die Schau stellt den Familienporträts auch Fotografien gegenüber. Unter anderem zwei Fotografien des in der Weimarer Republik bekannten Künstlerfotografen Hugo Erfurth.

Berühmt und künstlerisch erfolgreich waren die Kinderporträts von Thoma. Eindrücklich etwa das Bild eines einsam am Esstisch sitzenden Mädchens oder eines von der Landarbeit völlig entkräfteten Jungen im Kuhstall.

Weniger bekannt ist, dass Thomas in vielen Arbeiten nordische und antike Mythen und Sagen aufgriff: Quellnymphen, magische Luft- und Wasserwesen oder Fantasievögel in paradiesischen Welten – aber auch Thor und Odin.

Überraschenderweise finden sich einige Anklänge an den Jugendstil, beispielsweise sein Porträt eines Mädchens mit über die Schulter gelegter Sonnenblume. Die Schau zeigt auch von Thoma entworfene oder selbst gestaltete Keramikarbeiten sowie Entwürfe für zwei Holzstühle.

Umfassend greift die bis Ende März geöffnete Ausstellung die neuen Debatten über die Nähe zu Antisemiten und nationalistisch-völkischen Strömungen auf. “Thoma ließ sich von völkischen Kreisen über Jahre als ‘deutscher Künstler’ einspannen. In seinen überlieferten Briefen finden sich auch klar antisemitische Passagen”, beschreibt Ausstellungskurator Reuße. Andererseits habe Thoma nie öffentlich gegen Juden gehetzt oder antisemitische Werke geschaffen.

Das Museum will jetzt zu weiterem Nachdenken einladen. Und hat dazu auch den Fotografen und Zeichner Marcel van Eeden gewonnen. Er setzt sich in eigens für die Schau entstandenen Fotografien damit auseinander, dass Thoma enge Kontakte zur Witwe Richard Wagners, Cosima Wagner, und ihrem in Bayreuth gegründeten völkisch-nationalistischen Zirkel hatte.

Zuvor hatte Van Eeden die Debatte um Antisemitismus bei Thoma mit angestoßen, als er mit dem nach Thoma benannten Kunstpreis des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet wurde. Anfang 2024 entschied die Landesregierung dann, den 1949 ins Leben gerufenen Kunstpreis in “Landespreis für Bildende Kunst Baden-Württemberg” umzubenennen und den Verweis auf Thoma zu streichen.

Thoma habe ein völkisch antimodernes Weltbild verkörpert, begründete Kunstministerin Petra Olschowski (Grüne). Dass der Künstler von völkischen Ideen und Bildwelten mit nordischen Göttern und heldenhaften Männerfiguren beeinflusst war, zeigt die Freiburger Ausstellung deutlich. Genauso aber, dass es einseitig wäre, Thoma nur auf diese Werke zu reduzieren.