Predigttext (in Auszügen)
23 Nachdem man ihnen viele Schläge verabreicht hatte, ließen sie die beiden ins Gefängnis werfen. Dem Gefängniswärter wurde eingeschärft, sie besonders gut zu bewachen. (…) 25 Um Mitternacht beteten Paulus und Silas und sangen Gott Loblieder. Die anderen Gefangenen hörten ihnen zu. 26 Plötzlich gab es ein starkes Erdbeben, das die Fundamente des Gefängnisses erschütterte. Da sprangen alle Türen auf, und die Ketten fielen von den Gefangenen ab. 27 Der Gefängniswärter wurde aus dem Schlaf gerissen. Als er sah, dass die Gefängnistüren offen standen, zog er sein Schwert und wollte sich töten. Denn er dachte: Die Gefangenen sind entflohen. 28 Aber Paulus schrie laut: „Tu dir nichts an! Wir sind alle noch hier.“ 29 Der Wärter rief nach Licht. Er stürzte in die Zelle und warf sich zitternd vor Paulus und Silas nieder. 30 Dann führte er sie hinaus und fragte: „Ihr Herren, was muss ich tun, damit ich gerettet werde?“ 31 Sie antworteten: „Glaube an den Herrn, Jesus, dann wirst du gerettet und mit dir alle in deinem Haus.“ (…) 33 Noch in derselben Nachtstunde nahm der Wärter Paulus und Silas zu sich. Er wusch ihnen die Wunden aus. Dann ließ er sich umgehend taufen und mit ihm alle, die in seinem Haus lebten. (…) (Basis-Bibel)
Wenn’s doch so einfach wäre! Wenn’s das wirklich so gäbe! Für mich selbst, für alle Bedrückten, für die Kirche, in unserer Welt: Ich erhebe meine Stimme, singe Gott ein Lied … und die Erde erbebt, Mauern geraten ins Wanken, Türen öffnen sich und Fesseln fallen ab. Das Wunder der Befreiung aus Angst und Not wird Wirklichkeit. Wo eben noch die Nacht herrschte, beginnt ein neuer Tag, weit und hell. Die eben noch verstellte Zukunft wird jetzt „mein“ Land. Und all das bleibt nicht mein „Geheimnis“, sondern es wirkt sich aus, berührt und verändert auch andere, lässt uns gemeinsam an Gottes Barmherzigkeit und Treue glauben.
Wenn’s doch so einfach wäre?
Ich erinnere mich an den Besuch in einem Gefängnis im Kongo. Den Platz für 120 Menschen müssen sich fast 500 teilen. Der Staat sorgt nur für die Bewachung; die Wärter verhalten sich rücksichtslos. Uns erschreckt der Anblick von Männern, die mit viel zu kurzen Ketten zwischen Hand und Fuß so gefesselt sind, daß sie nur gebeugt kleine Schritte gehen können; es ist Folter. Frisches Wasser, jeden Tag etwas zu essen – dafür sind die Angehörigen zuständig, aber viele hier sind völlig allein. Frauen aus einer örtlichen Kirchengemeinde bringen zweimal in der Woche riesengroße Töpfe und Kanister mit Essen für alle. Bevor das verteilt wird, feiern sie eine Andacht. Viele der Gefangenen singen und beten mit großer Inbrunst; sie danken Gott und den Frauen für diese Hilfe von außen. Sie erfahren, dass sie nicht vergessen sind. Ihre Hoffnung, da wieder herauszukommen, bleibt lebendig. Manche von ihnen stecken uns kleine Zettel mit den Namen ihrer Familien zu: „Sagt ihnen, wo wir sind.“ – Wie weit ist das Wunder des Paulus und des Silas entfernt? Wie nahe ist dieses Wunder?
Ich erinnere mich an einen alten Mann in der Gemeinde. Als er sehr krank wird und im Sterben liegt, besuche ich ihn. Er war lange Jahre Mitglied in unserem Gemeindechor; nun stehen wir zu fünft an seinem Bett … und wir singen (es ist Adventszeit): „Komm, o mein Heiland Jesu Christ, mein Herzenstür dir offen ist. Ach zieh mit deiner Gnade ein; dein Freundlichkeit auch uns erschein. Dein Heilger Geist uns führ und leit den Weg zur ewgen Seligkeit.“ Wenige Tage später starb er, wie man so sagt: „im Frieden“. – Wie weit ist das Wunder des Paulus und des Silas entfernt? Wie nahe ist dieses Wunder?
Vor uns liegt der Sonntag „Kantate“ – „Singt!“ Für mich ist eine Kirche, in der nicht gesungen wird, unvorstellbar. Das Singen (und Musizieren überhaupt) gehört zweifellos dazu. Das hängt mit dem Urwort des Gotteslobs zusammen: Halleluja! – Singt dem Herrn! Dabei wird sein Name genannt, wird singend – hörbar! – lebendig gehalten, wie er für uns Gott ist: „Barmherzig und gnädig, geduldig und von großer Güte und Treue“, oder: „Jesus“ – was ja heißt „Gott hilft“. Von daher ist das Singen in der Kirche Verkündigung und Bekenntnis, Trost und Ermutigung, Klage oder Lob; manchmal in zarten Tönen, manchmal auch lautstark.
Aber lebt nicht Gott in uns – in unseren Seelen? Und mit ihm: Hoffnung für diese Welt, Hoffnung auf Gerechtigkeit und Hilfe, auf Befreiung aus der Not, auf Frieden?
Paulus und Silas haben mit- und füreinander gesungen – singend gebetet, sich frei gesungen. Ihr „klingendes Evangelium“ mit erheblicher Außen- und Nachwirkung war: Es ist ein Gott, der uns liebt. Darauf wollen wir uns verlassen.
Ein Wunder, damals wie heute? Zumindest ein wunderbares Geschenk. Darum: Lasst uns singen!