Vorbeugend und begleitend können wissenschaftlich geprüfte Apps viel für die mentale Gesundheit bewirken, sagt ein Experte. Er wünscht sich weniger Hürden und warnt von vergebenen Chancen.
Der Markt an Gesundheitsapps ist für Nutzerinnen und Nutzer kaum zu überblicken: Das zeigen Studien des Freiburger Psychologen Lasse B. Sander. “Die Sterne-Ratings orientieren sich eher an Design und leichter Nutzbarkeit, nicht an Evidenz und Qualität”, sagte er der Zeitschrift “Psychologie Heute” (September-Ausgabe). Daher sei es ein “Meilenstein”, dass seit vier Jahren wissenschaftlich geprüfte Gesundheitsanwendungen – sogenannte DiGAs – verschrieben werden könnten.
Zugleich sehe er noch viel Potenzial für weitere Verbesserungen, sagte Sander. Dies betreffe vor allem drei Bereiche: “bei der Prävention psychischer Erkrankungen, um Behandlungsmaßnahmen effektiver zu gestalten und um Zielgruppen zu erreichen, denen wir aktuell nicht begegnen”.
Wenn Patienten beispielsweise nur einzelne Symptome für eine depressive Erkrankung aufwiesen und Hilfe suchten, wäre es sinnvoll, ihnen ein entsprechendes Online-Programm verschreiben zu können. Dies ist derzeit nur bei Vorliegen einer Diagnose möglich. Sander: “Es gibt ja auch digitale Rückenschulen, die Sie machen können, ohne dass Sie schon unter starken Rückenschmerzen leiden.”
Auch könnten digitale Angebote zum Einsatz kommen, wenn Menschen einer Psychotherapie eher ablehnend gegenüberstünden. Manche kämen so “das allererste Mal überhaupt mit psychologischer Hilfe in Berührung”.
Der Experte nannte ein weiteres Beispiel: Viele Menschen mit Suizidgedanken suchten online nach entsprechenden Begriffen. “Wenn man sie beispielsweise über ein frei zugängliches digitales Angebot adressieren könnte, hätten wir eine Chance, Menschen in das Versorgungssystem zu bekommen, die da sonst nicht hineingehen würden.”
Allerdings wüssten die Behandelnden häufig zu wenig über die digitalen Anwendungen, beklagte der Forscher. Die Gefahr, “dass Psychotherapeutinnen obsolet werden”, sehe er indes nicht. Und: “Die Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen durch Psychotherapie hat Grenzen.” Insofern könne es viel bringen, beides gezielt miteinander zu verzahnen.