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Forderung nach Karenztag: Sozialabbau durch die Hintertür

Hinterrücks versuchen Wirtschaftslobbyisten wie Oliver Bäte von der Allianz-Gruppe den deutschen Sozialstaat zu unterlaufen. Das zeigt die Debatte um Karenztage im Krankheitsfall. Ein Kommentar.

Kein Lohn am ersten Krankheitstag? Unser Autorin hält davon nichts
Kein Lohn am ersten Krankheitstag? Unser Autorin hält davon nichtsImago / Westend 61

Gesundheit ist ein hohes Gut und Gesundheit ist nicht gleich verteilt. Ob jemand krank wird, hängt von vielen Faktoren ab. Etwa davon, ob der Job stark körperlich belastet (auf dem Bau) oder ob mit vielen Anforderungen gleichzeitig hantiert werden muss, als Erzieher in der Kinderkrippe etwa. Zudem ist bekannt, dass Armut das Krankheitsrisiko maßgeblich beeinflusst.

Karenztag-Debatte: Ganz in der Tradition der Agenda 2010

Wenn jetzt, wie von Allianz-Chef Oliver Bäte oder der Wirtschaftsweisen Monika Schnitzer gefordert wird, Karenztage, also Tage ohne Lohnfortzahlung im Krankheitsfall einzuführen, käme das einem knallharten Rückbau sozialer Errungenschaften in der Bundesrepublik gleich. Denn gerade Alleinerziehende, Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im Niedriglohnsektor wären im Krankheitsfall unverhältnismäßig stark von Lohnkürzungen betroffen. Außerdem: Eine Entwicklung hin zu einer Zwei-Klassen-Gesundheit würde weiterer Vorschub geleistet werden. Schon jetzt belohnen viele Krankenkasse diejenigen, die eine Arztpraxis lediglich zu Vorsorgeterminen aufsuchen. Chronisch Kranke haben das Nachsehen.

Profite gehen meist auf Kosten der Ärmsten

Das ist ein Unding und gefährdet auf Dauer die soziale Stabilität im Land. Armut ist kein Schicksal, Armut ist strukturell bedingt. Diese Tatsache muss bei ökonomischen Debatten, ob mit einem Karenztag Milliarden-Einsparungen winken, mitgedacht werden. Die Frage am Ende ist nämlich, auf wessen Kosten sich DAX-Konzerne satt verdienen.