UK 27/2015, Leitartikel (Seite 1: „Doppeltes Spiel“)
Das Thema „Umgang mit Tieren in unserer Gesellschaft“ aus christlicher Sicht war überfällig – ein ausdrücklicher Dank an die Redaktion. Uns Menschen sind die Tiere von Gott anvertraut. Die massenhafte Quälerei von Gottes Geschöpfen in der Tierhaltung kann eigentlich niemanden unberührt lassen. Dieses Vertrauen haben wir Menschen in den letzten Jahrzehnten der industriellen Massentierhaltung und -tötung schwer missbraucht. Das Töten männlicher Kälber, die Kurzlebigkeit eines Schweinelebens, die drangvolle Enge in Puten-, Hähnchen- und Hühnerställen, dies alles hat mit einem Verständnis der Mitkreatürlichkeit, wie sie ein Franz von Assisi oder ein Albert Schweitzer vertraten, nichts mehr zu tun. Gefangen, gefesselt, gequält, getötet. Gottes Schöpfung wird auch beim Umgang mit den Tieren buchstäblich mit Füßen getreten.
Wir wissen alle um den Horror der Schlachthöfe. Aber die Bequemlichkeitsautomatik unseres Hirns schaltet alle ethischen Maßstäbe im Restaurant oder am Würstchenstand ab. Dass wir Leichenteile gequälter Geschöpfe essen, blenden wir aus. Fleisch muss sein – und billig obendrein.
Nachdem uns allen über Jahrzehnte das „Esst mehr Fleisch“ eingetrichtert wurde, können heute immer mehr Menschen das auf dem massenhaften Leiden der Tiere beruhende Fleischessen nicht mehr mitmachen. Und es gibt heute viele vegetarische und vegane Alternativen – das haben auch wir mit 68 Jahren lernen müssen, lernen können und freuen uns darüber. Der Einkauf ist zwar etwas umständlicher, aber wir sind für die Tierquälereien nicht mehr direkt mitverantwortlich. Wir haben auch einen anderen Blick für die Tiere und ihr Leben gewonnen – obwohl wir seit vielen Jahren mit viel Freude Hunde halten.
Es stünde den Kirchen, den Presbyterien und Synoden gut an, auf Gemeindefesten oder Versammlungen, in Kantinen und Küchen auf den immer noch verbreiteten Fleischverzehr zu verzichten. Man kann auch vegetarisch/vegan grillen, kochen und Brötchen mit vegetarischer Wurst belegen – ohne das Leid der Tiere in Kauf zu nehmen.
Natürlich sind noch viele Gewohnheiten zu ändern und Fragen zu beantworten, z.B. zu Arbeitsplätzen und zur Landwirtschaft, zu unserem täglich Brot, zur Ernährung der Weltbevölkerung, zur Qualität von Wasser und Böden. Wichtig ist, dies in und mit Kirche zu diskutieren und die ersten Veränderungen bei uns selbst zu beginnen.
Dora und Martin L. Treichel, Soest
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