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Fitness-Tipps fürs Dabeisein mit Leib und Seele

Über einen besonderen Tag in der Frauenhilfe, der deutlich macht, was viele in den Gemeinden umtreibt

Es war ein Mittwochnachmittag in den zurückliegenden Sommerferien – die Kollegen an meinem Wohnort Schwelm hatten Urlaub –, als die Leiterin der Frauenhilfe mich als Funktions-Pfarrerin fragte, ob ich mal in die Gruppe käme. „Gerne“, habe ich geantwortet und gefragt, über was für ein Thema wir denn gemeinsam nachdenken sollten. Nur einen Vortrag wollte ich nämlich nicht halten.
„Wie wäre es mit der Personalberatung in Villigst, wo du arbeitest? Das ist doch bestimmt interessant.“ Also wird es ein Nachmittag über die Arbeit von Pfarrerinnen und Pfarrern werden. Nur anders.
15 Uhr. Knapp 20 Seniorinnen kommen zusammen. Seit Jahrzehnten gestandene und erfahrene Gemeindeglieder, die einen mit mehr, die anderen mit weniger Nähe zu Gottesdienst, Seniorenkreisen, zum kirchlichen Leben an sich – und auch zum Glauben.
Es ist heiß an diesem Julitag, und so gibt es nach der Andacht erstmal eine kleine köstliche Eisspezialität. Lecker. Essen hält Leib und Seele zusammen.
Und damit sind wir auch schon beim Thema: Denn Pfarrerinnen und Pfarrer, die ihren Beruf mit Leib und Seele ausüben, die sind beliebt. Aber was braucht es dafür? Gute Arbeit fällt nicht einfach vom Himmel.
„Was hält die Pfarrerin und den Pfarrer fit in ihrer Arbeit?“ Diese Frage klemme ich an eine aufgemalte „Kollegin“ auf ein Flipchart. Und siehe da – es ist viel Wissen im Raum. Einige sind seit Jahrzehnten aktive Gemeindeglieder, haben viel erlebt und kennen auch die aktuellen Pfarrer seit 30 Jahren. Sie beobachten gut – und sie ziehen Parallelen zu ihren Kindern und deren Berufsalltag.
„Die sollen mal ihre Grenzen beachten“, sagt eine Teilnehmerin. „Ruhepausen einlegen. Ganz wichtig“, sagt eine andere. „Sie brauchen schon eine ganze Menge Kraft und Ausdauer. Treiben die eigentlich auch Sport?“, wird gefragt. „Unbedingt fröhlich bleiben“, empfiehlt eine weitere und pinnt unter „Sport“ einen kleinen Hund auf die Tafel.
Für mich erfreulich ist die Tatsache, dass die Seniorinnen „Leib und Seele“ zusammensehen. Auch psychosoziale Aspekte von Gesundheit werden benannt: „Privater Rückhalt“. Und angesichts der anstehenden Pensionierungen in den kommenden Jahren: „Altersgemäß arbeiten. Keine Konfi-Freizeit mehr.“
Wir haben viel Spaß miteinander an diesem Nachmittag – Humor ist schließlich eine wichtige Ressource für alle Lebenslagen und jedes Alter.
Dass es in manchen Gemeinden manchmal auch anders zugeht, sagt mir die E-Mail eines Psychologen und Psychotherapeuten, der erkrankte Pfarrer behandelt und von „mobbingähnlichen Konfliktlagen mit Kollegen und Gemeindegliedern“ berichtet. Denn es gibt auch das: Dissens zwischen Kollegen, die einander nicht ausweichen können, Ansprüche und Erwartungen von Gemeindegliedern, die zu hoch sind und an den realen Gegebenheiten vorbeigehen.
Der Experte schreibt: „Nach meinem Einblick in die Arbeit von Pfarrern (bei mir waren bislang nur Männer) sehe ich nicht nur ausgebrannte individuell Leidende, sondern ich meine auch strukturelle und systematische Probleme dieses Berufs erkennen zu können. Werden solche Ansichten bei Ihnen diskutiert? Erscheinen sie abwegig?“
Die Evangelische Kirche hat einen synodalen Arbeitsprozess „Das Pfarramt in der Dienstgemeinschaft unserer Kirche“ begonnen, der solche Fragestellungen aufnehmen wird. Gut, wenn sie in den Fokus gerückt werden. Für die Gemeindeglieder sind sie längst offensichtlich und auch kein Tabu.