Kinder brauchen für ihre Entwicklung eine gesunde Erde – davon ist der frühere Skirennläufer Felix Neureuther überzeugt. Mit seinem Buch ruft er deshalb dazu auf, den Lebensraum nachfolgender Generationen zu schützen.
Er hat das Bild noch vor seinem inneren Auge: gewaltige Eismassen, majestätisch und furchteinflößend. Wenn der ehemalige Skirennläufer Felix Neureuther früher im Schweizer Wintersportort Saas-Fee trainierte, konnte er von der Piste aus den riesigen Gletscher erkennen. Blickt er dort heute Richtung Berge, ist nichts mehr zu sehen.
“In solch einem Moment spüre ich einen Stich im Herzen, weil ich direkt vor mir habe, was uns der Klimawandel raubt”, schreibt Neureuther in dem Buch “Gesunde Erde. Gesunde Kinder”. Verfasst mit zwei Co-Autoren, Florian Kreuzpointner und Simon Biallowons, ist der Band kürzlich erschienen. Die bange Frage, was den nachfolgenden Generationen noch an Natur bleiben wird, haben den vierfachen Familienvater schon vor Jahren dazu veranlasst, sich aktiv für den Umwelt- und Klimaschutz stark zu machen.
Dabei ist sein Engagement für die Natur untrennbar verbunden mit dem Einsatz für ein gesundes Aufwachsen aller Kinder: Eine kranke Erde, so der 41-Jährige, mache auch Jungen und Mädchen krank. Allergien mit immer schwerwiegenderen Folgen, Kreislaufprobleme bei den häufiger werdenden Hitzewellen und psychische Belastungen wie Klimaangst seien Beispiele dafür. “Unser Einsatz ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Generationenkampf. Aber kein Kampf zwischen, sondern für die Generationen. Auch und gerade für die, die erst noch kommen”, sagt der Autor.
Gesund groß werden – für den erfolgreichen Spitzensportler, der schon als Jugendlicher bei Wettkämpfen über die Piste jagte, ist dies ohne Bewegung in der Natur undenkbar. Auch sein Programm “Beweg dich schlau” steht dafür. Aufgewachsen in der Bergidylle von Garmisch-Partenkirchen und als Sohn der beiden Sportstars Christian Neureuther und Rosi Mittermeier täglich im Freien, vergleicht er seine Kindheit in den bayrischen Alpen mit der heutigen Realität und kommt zu einem deprimierenden Fazit. “Wir sitzen zu viel, wir hängen nur noch am Handy rum, wir sind kaum noch in der Natur”, beklagt er.
Um die Folgen in den Griff zu bekommen – laut Weltgesundheitsorganisation sind in Deutschland etwa 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen übergewichtig -, brauche es körperliche Aktivität an der frischen Luft. “Die Natur ist unser wichtigster Verbündeter”, schreibt Neureuther.
Doch der mehrfache Medaillengewinner will nicht den moralischen Zeigefinger erheben. Es gehe ihm, wie er betont, vielmehr um eine Sensibilisierung und Bewusstseinsänderung sowie darum, in kleinen Schritten ins Handeln zu kommen.
Dabei setzt er vor allem auf die Vorbildfunktion der Erwachsenen; etwa, wenn sie die Strecke zum Bäcker nicht mit dem Auto, sondern mit dem Fahrrad zurücklegen oder bei einer gemeinsamen Wanderung den eigenen und sogar fremden Müll einsammeln. Daraus könnten sich Gespräche über die Folgen des eigenen Handelns ergeben – und es sei sofort sichtbar, was jeder Einzelne bewirken könne. Denn, so der Naturfreund: “Für den Patienten Erde ist es bei Weitem noch nicht zu spät, aber wir müssen jetzt aufwachen und anpacken.”
Neureuther fordert keinen Perfektionismus und hat Verständnis für jene, die hin und wieder mit dem Flugzeug in die Ferne reisen. “Wir sollten uns trotz Klimakrise eine gewisse Lebensfreude erhalten”, sagt er. Gerade angesichts schlechter Nachrichten müssten Kinder auch erleben, wie sich eine gesunde Erde anfühle und wie wohltuend sie auf Menschen wirke.
Wie leicht sich Kinder für Erlebnisse in freier Natur begeistern lassen, erstaunt den Familienvater nach eigenen Worten immer wieder: Als in seinem Garten eine riesige Tanne gefällt werden musste, habe er sich entschieden, in kräftezehrender Arbeit mit Pickel und Schaufel das verbliebene Wurzelwerk zu entfernen. Schon bald seien drei seiner Kinder neben ihm aufgetaucht und hätten unbedingt mitarbeiten wollen. Auf ihr Betteln hin sei das Hacken, Graben und Zerren schließlich zu einem täglichen Familienritual geworden – bis die Wurzel nach drei Wochen tatsächlich entfernt gewesen sei. Neureuther: “Natur kann verbinden. Wenn man sich auf sie einlässt.”