Eintauchen, selbst gestalten, ein Teil werden von großflächigen Videoinstallationen: All das ist in immersiven Ausstellungen möglich, die derzeit boomen. Was hat das mit Kunst zu tun?
Claude Monet (1840-1926): einer der bekanntesten Maler des Impressionismus, berühmt vor allem für seine großflächigen Seerosenbilder, Meister im Einfangen des Augenblicks, was für ihn Zeit seines Lebens eine der größten Herausforderungen darstellte. Diesen Einblick schildert er selbst – in einem Film der immersiven Ausstellung “Monets Garten”, die noch bis Ende April – nach mehreren anderen Stationen – in Köln zu sehen ist.
Die Ausstellung gliedert sich in drei sogenannte Erlebnisbereiche. Betritt man den ersten Teil, fokussiert sich der Blick durch das gedimmte Licht direkt auf die Gemälde und Maltechnik des Künstlers. Über eine Videoanimation erfährt man, wie Pinselstrich für Pinselstrich die unverwechselbare Handschrift eines impressionistischen Kunstwerkes entstand.
Im zweiten Bereich können Besucherinnen und Besucher ihre eigene Seerose zeichnen und diese dann Teil eines Seerosenteichs werden lassen – unterhalb der nachgestellten Brücke des berühmten Gartens von Monets in Giverny in der Normandie. Auch im Nachbau von Monets Landhaus kann man selbst aktiv werden; durch Bewegung entstehen auf der Leinwand neue Effekte. Statt ausschließlich zu betrachten, gestaltet man selbst. Umarmt man sich an einer weiteren interaktiven Station, entfacht man eine “Farbexplosion”. “Die Menschen einzubinden, die Möglichkeit zur Interaktion an vielen Stellen, hat mir besonders gut gefallen”, sagt eine Besucherin im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Beim Phänomen der immersiven Ausstellung werden klassische Gemälde – auch etwa von Gustav Klimt (bis 29. März in Mainz) oder Johannes Vermeer (bis 27. April in Stuttgart) – in 3D projiziert und auf diese Weise zu interaktiven Erlebniswelten. Auch den “Letzten Tage von Pompeji” kann man bis 27. April in Berlin nachspüren. Der Begriff Immersion beschreibt den Effekt, in eine multimediale Illusion aus Bild und Ton, in eine virtuelle Welt einzutauchen. Die virtuelle Präsenz wird als nahezu real empfunden.
“Die Besucher erleben die Welt Claude Monets, seine Farben und berühmten Werke auf wunderbare Weise so, als ob sie tatsächlich in der Szenerie sind”, erklärt Roman Beranek, Kreativdirektor der Ausstellung. “Farben, Licht, die Projektion des Wassers – alles wird lebendig.”
Im “Showroom” gibt es einen besonderen 45-minütigen Film über Welt und Leben Monets: Der gesamte Raum wird in Projektionen von Monets Werken eingehüllt. Die Lichtreflexe treffen auch auf die Anwesenden. Eine 13-jährige Ausstellungsbesucherin sagt: “Als ich in dem großen Kissen lag, das Licht der Bilder auf meinem Körper und die Musik um mich herum – das war toll.”
Es gibt auch kritische Stimmen, “Das Preis-Leistungs-Verhältnis war für mich nicht hundertprozentig stimmig”, sagt eine Besucherin. “Zahle ich doch, um die Originale in Paris zu sehen, deutlich weniger.” Der Standard-Eintrittspreis für “Monets Garten” liegt bei 22 Euro.
Mischa Kuball, selbst Konzeptkünstler und Professor für Medienkunst an der Kunsthochschule für Medien in Köln bezeichnet es als irritierend, “dass auf der einen Seite gefordert wird, dass die Museen die Eintrittspreise abschaffen sollen, damit mehr Menschen ins Museum gehen – und hier zahlen Menschen sehr viel Geld als Familien.” Dabei fordere ein “klassischer” Museumsbesuch die Denkfähigkeit stärker heraus. Der Eigenanteil sei höher; bei einer immersiven Schauen müsse man nichts leisten: “Ich werde beschallt oder visuell herausgefordert, aber eben im Sinne einer Überwältigung und das regt nicht das Denken an.”
Der Produzent der Ausstellung, Nepomuk Schessl, sieht immersive Ausstellungen dagegen als kann “Brücke ins Museum”: “Wir hoffen sehr, dass die Besucher nach der Erfahrung einer immersiven Show die Lust verspüren, das Original zu sehen.” Künstler Kuball betont, es brauche in Zeiten der digitalen Medien verstärkten Austausch. Sein Credo: “Digitalisierung ist gut und soll es auch geben, aber bitte darüber auch ein Bewusstsein schaffen.”