Geländespiele, Nachtwanderung, Chillen am Lagerfeuer – Zeltlager erfreuen sich in den Sommerferien noch immer großer Beliebtheit. Warum eine so analoge Erfahrung auch digitalen Zeiten junge Menschen anspricht.
Aufwachen mit dem Duft von frischem Gras in der Nase, Aktivitäten mit Gleichaltrigen in der Natur, ohne Eltern eine entspannte und abwechslungsreiche Zeit verbringen – die Zutaten für eine Zeltfreizeit sind simpel. Umso erstaunlicher, dass hierzulande jedes Jahr im Sommer wohl Zehntausende Kinder und Jugendliche für eine oder mehrere Wochen ihr bequemes Zuhause mit einem einfachen Leben im Zeltlager tauschen.
Für Lukas Schmuck, den Bundesvorsitzenden beim Bund der Pfadfinder*innen, hat das “viel mit Freiraum und Freiheitsgefühl zu tun”. Neben einer Klassenfahrt sei das Zeltlager eine Möglichkeit, “mal ohne die Eltern unterwegs zu sein”. Die Pfadfinder orientierten sich an den Interessen junger Menschen, die den Freiraum abseits ihres Alltags für Abenteuer nutzen könnten.
Ein Klassiker bei den Pfadfindern ist laut dem Vorsitzenden des Jugendverbandes mit über 260 Ortsgruppen die zweiwöchige Sommerferienfreizeit. In der ersten Woche wandere die Gruppe rund 70 Kilometer – verbunden mit täglichem Zeltauf- und abbau. “Dabei müssen sich die Teilnehmenden organisieren und können sich in der Gruppe ausprobieren”, erläutert Schmuck, der seit 2005 bei den Pfadfindern ist.
Dabei gehe es um einfache Dinge, zum Beispiel: “Wie kochen wir unterwegs, wer baut das Zelt auf?”. In der zweiten Woche erwartet die Jugendlichen ein stationäres Lager mit kleineren und größeren Aktivitäten. So wurden etwa bereits Workshops im Eisenschmieden angeboten, ein anderes Mal tüftelten Teilnehmer neue Zeltkonstruktionen aus.
Für Hannah Joswig von der Malteser Jugend Deutschland machen “die Gemeinschaft und das Zusammenkommen” den Reiz eines Zeltlagers aus. Auf diesem Weg entstünden überregionale, zum Teil auch internationale Freundschaften, erklärt Joswig. Sie organisiert das diesjährige Bundeslager der Malteser im hessischen Immenhausen bei Kassel mit, zu dem über 400 Jugendliche und 90 ehrenamtliche Helfer erwartet werden. Neben jungen Maltesern aus ganz Deutschland seien wie schon im Vorjahr rund 60 Teilnehmende aus der Ukraine dabei.
Joswig fand 2008 zur Malteserjugend, seit 2009 besucht sie regelmäßig solche Lager und organisiert sie seit vielen Jahren mit. “Unser Zeltplatz – das ist Heimat und Familie; ein Ort, an dem man jedes Jahr gerne zusammenkommt”, schwärmt die 28-Jährige.
Wie aber punktet man bei Smartphone-affinen Kids? Lukas Schmuck hat da eine klare Haltung – er ist kein Freund von Handyverboten. Vielmehr gelte es, “ein Angebot zu schaffen, das die Leute motiviert, das Handy in der Tasche zu lassen”. Andererseits könne das Smartphone beim Zeltlager auch gezielt genutzt werden, sagt der 26-Jährige. “Es gibt inzwischen Anbieter für digitale Schnitzeljagden und digitale Karten, die beim Wandern durchaus hilfreich sind.” Es gehe also darum, das Handy nicht zu verbannen, sondern vielmehr zu überlegen: “Wo ist es gerade hilfreich – und wo stört es wie am Lagerfeuer die Atmosphäre.”
Ähnlich sieht es Hannah Joswig. “Wir schaffen mit einem guten Alternativprogramm Erlebnisse, bei denen man das Handy auch mal liegen lässt”. Sie merke selbst, dass das Smartphone zum Alltag dazugehört – auch im Lager: “Wir produzieren dort Content, etwa für Instagram. Das wollen sich die Jugendlichen natürlich auch gleich ansehen.” Grundsätzlich sei aber die Devise: “Begegnungen außerhalb des Displays schaffen”. So gehört auch eine Nachtwanderung – je nach Alter der Teilnehmenden “mit und ohne Erschrecken” – zum Programm.
Wie alle zwei Jahre, gebe es auch beim Malteser-Bundesjugendlager 2025 wieder das Konzept “Wilde Wiese”: wenig festes Programm – viel Eigeninitiative. So werden die Kinder und Jugendlichen eingeladen, selbst zu kochen, sich zu entfalten und etwa Workshops füreinander anzubieten. In den Vorjahren habe es einmal einen Kurs im Nagellackieren gegeben; andere Teilnehmer hätten aus einem Zelt eine “Escape-Jurte” und ein entsprechendes Spiel kreiert, bei dem man den Weg nach draußen finden mussten.
So wie sich manche Programmpunkte in den vergangenen Jahren weiterentwickelt haben, so ist laut Schmuck auch das Gespür für Grenzverletzungen gewachsen. “Bei Geländespielen wurde früher mehr gerangelt – heute gehen wir damit sensibler um.”
Auch Kinderschutz und Prävention hätten heute eine viel größere Bedeutung. Bei den Pfadfindern fungierten mitunter schon 14-, 15-Jährige als Gruppenleiter und wüchsen so in die Verantwortung hinein. Mit 16 Jahren absolvierten sie dann die sogenannte JuLeiCa-Schulung, die auch Fragen zu Kinderschutz und Prävention umfassen kann. JuLeiCa steht für JugendLeitercard und bescheinigt den qualifizierten Umgang mit Heranwachsenden nach bundesweiten Standards. Sensible Themen werden laut Schmuck in weiteren Fortbildungen vertieft.
Ähnlich ist es bei den Maltesern. “Wir sind als Verband gut aufgestellt und haben dafür eine eigene Stabsstelle”, sagt Joswig. In der Malteserjugend gebe es einen eigenen Arbeitskreis für Kinderrechte, außerdem sei sie Mitglied im Netzwerk Kinderrechte. “Kinder und Jugendliche sind also bestens bei uns aufgehoben, wir haben gute Schutzmechanismen”. Ihr Tipp für Eltern, die auf der Suche nach einem seriösen Anbieter für ein Zeltlager sind: einen Veranstalter von Kinder- und Jugendverbänden mit einem anerkannten Dachverband wählen, etwa den katholischen Pfadfindern.
Joswig möchte ihre Erfahrungen im Zeltlager nicht missen. Über ihr Engagement bei den Maltesern sei “ein Freundeskreis fürs Leben” entstanden.