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Fast ein Drittel der Deutschen leiden unter Rückenschmerzen

Schmerzmediziner beklagen Unter- und Fehlversorgung – auch, was die sogenannten Volkskrankheiten betrifft. In den kommenden Jahren rechnen Fachleute mit einer weiteren Verschärfung der Lage.

Fast jeder dritte Deutsche (31,4 Prozent) hat Rückenschmerzen. Vor allem chronifizierte Schmerzen ziehen dabei hohe Folgekosten nach sich, erklärte Heinrich Binsfeld, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS), in einer Pressekonferenz am Dienstag zum Auftakt des “Deutschen Schmerz- und Palliativtags”. Allein knapp drei Prozent der gesamten Krankheitskosten entfielen demnach im Jahr 2022 auf Rückenleiden. Aus Kostenperspektive komme Rückenschmerz damit eine größere Bedeutung zu als etwa Diabetes Mellitus, Schlaganfällen oder Depressionen.

Chronischer Rückenschmerz ist Binsfeld zufolge ein eigenständiges Leiden, das eine schmerzmedizinische Behandlung erfordert. “Das Hauptproblem sind chronische Rückenschmerzen, die durch unzureichend behandelte akute Schmerzen entstehen”, erklärte der Internist. Die Schmerzmediziner setzen sich für eine bessere Versorgung ein, durch die auch Folgekosten deutlich reduziert werden würden. Grundsätzliches Ziel der Gesellschaft ist die Einführung eines Facharztes für Schmerzmedizin samt beispielsweise eigener Bedarfsplanung und eigener Budgets.

Wie DGS-Präsident Johannes Horlemann ausführte, leiden insgesamt 23 Millionen Deutsche unter chronischen Schmerzen. Das können neben Rücken- etwa auch Kopf- oder Gelenkschmerzen sein. Ihnen stünden viel zu wenig Ärzte gegenüber: “Aus Altersgründen werden trotz steigender Patientenzahl in fünf Jahren fast die Hälfte der heutigen Schmerz-Spezialisten im Ruhestand sein.” Schon heute könnten die knapp 1.400 bundesweit tätigen schmerzmedizinischen Spezialisten nur zehn Prozent der schwerst schmerzerkrankten Betroffenen versorgen.

Zudem führten chronische Unterfinanzierung und eine Umgestaltung der Krankenhauslandschaft dazu, dass schmerzmedizinische Kliniken oder Abteilungen geschlossen oder zusammengelegt würden. “Hier geschieht im Stillen Dramatisches”, warnte Horlemann.

Außerdem bemängeln die Schmerzmediziner eine Fehlversorgung, etwa durch unnötige Rückenoperationen. So habe eine Evaluation mit rund 9.700 Patientinnen und Patienten gezeigt, dass sich nur in 4,5 Prozent der Fälle eine ärztliche Zweitmeinung ebenfalls für eine Operation aussprach. Horlemann betonte: “Wir wollen Operationen vermeiden und nicht immer den Heilsversprechen der Chirurgie folgen.”