Erschöpfung, Stress, Schlafstörungen – das kennen wohl alle Mütter und Väter. Eine Kur des Müttergenesungswerks könnte helfen. Aber nicht alle, die es vielleicht nötig hätten, wissen von den Angeboten.
“Du hast es gut, das sind ja bezahlte Ferien” – mitunter ernten Familien im Umfeld Kommentare dieser Art, wenn sie von ihrer geplanten Mutter-Kind-Kur erzählen. Das sei weit gefehlt, stellt Rebekka Rupprecht, Geschäftsführerin des Müttergenesungswerks, klar. “Die Kurmaßnahme ist kein Urlaub. Es handelt sich um eine stationäre medizinische Vorsorge oder Rehamaßnahme.” Seit 75 Jahren bietet die Institution solche gesundheitlichen Erholungszeiten für Familien an. Elly Heuss-Knapp, Ehefrau von Bundespräsident Theodor Heuss, gründete das Werk am 31. Januar 1950.
“Ob es in einer Familie licht oder dunkel ist, das hängt wirklich in erster Linie von den Müttern ab.” So mahnte Heuss-Knapp damals in einer Rundfunkansprache. Der deutsche Sozialstaat kannte zwar Erholungskuren für Erwerbstätige, aber nicht für Mütter, die ja “nur” zu Hause die Kinder versorgten. Heuss-Knapp, die selbst Politikerin gewesen war, schaffte es in kurzer Zeit, mehrere Wohlfahrtsverbände für eine Stiftung “Deutsches Müttergenesungswerk” zusammenzubringen. Inzwischen werden auch Kuren für gestresste Väter und pflegende Angehörige angeboten.
Früher wie heute stünden Familien unter besonderer Belastung, sagt Rupprecht. “Bei der Gründung in der Nachkriegszeit vor 75 Jahren waren es oft traumatische Nachkriegssituationen, wie etwa der Verlust oder eine psychische und physische Versehrtheit des Ehemanns, eine schlechte Wohnsituation, Armut und Hunger. Die Frauen, die durch den Krieg oft alleinerziehend waren, haben viel Last getragen.” Heutzutage gehe es eher um Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Haushalt. “Das geht auch mit dem Anspruch einher, den wir als moderne Gesellschaft haben. Viele stehen unter ständigem Zeitdruck.”
Anspruch auf eine Mutter-Kind- oder Vater-Kind-Kur hat grundsätzlich, wer Gesundheitsprobleme hat, die im Zusammenhang mit seiner Erziehungsverantwortung stehen. Symptome könnten etwa psychische Belastungen bis zum Burnout, Rückenprobleme, Bluthochdruck oder ständige Kopfschmerzen sein. Ein ärztliches Attest muss die gesundheitliche Belastung bestätigen. Jährlich nehmen demnach rund 50.000 Mütter, 3.000 Väter und rund 71.000 Kinder das Angebot wahr. 93 Prozent der Anträge werden laut Angaben bewilligt.
Viele Kliniken sind auf besondere Lebenssituationen der Eltern spezialisiert: Es gibt Angebote zur Trauerverarbeitung, für Eltern von Kindern mit Behinderung, für Mütter nach einer Krebstherapie oder für Soldatinnen und Soldaten. Aber nicht alle sozialen Schichten kennen die Angebote.
“Kurbedürftige Mütter und Väter erfahren in der Regel von Freunden und Bekannten von den Kurmaßnahmen. Deshalb gibt es Communitys, in denen unsere Angebote noch nicht so bekannt sind”, sagt Rupprecht. Dazu gehöre etwa die erste Generation der Zuwanderer: “Ein vergleichbares Angebot gibt es in anderen Ländern nicht”.
Grundsätzlich sei deshalb ein niedrigschwelliger Zugang wichtig. Zudem müssten Ärzte besser über die Kurmöglichkeiten aufgeklärt werden, um die Patienten bestmöglich informieren zu können. Der Austausch bei einer Kur in der Gruppe helfe in der Regel und bringe neue Denkanstöße. “Man lernt: Alle haben ähnliche Baustellen. Ich muss nicht perfekt sein”, betont die Expertin.
Der Bedarf an Kurmaßnahmen für Mütter und Väter ist demnach sehr hoch und durch die Corona-Pandemie noch gestiegen. Die Kuren, die damals teilweise nicht stattfinden konnten, werden jetzt nachgeholt. “Der Bedarf schleicht sich ja nicht weg”, sagt Rupprecht. Teilweise seien die 72 Kliniken des Müttergenesungswerks bereits für das Jahr 2026 gut gebucht. “Da hat sich was angestaut.”
Rupprecht weist auch darauf hin, dass es sinnvoll sei, vorab mit einer Beratungsstelle im Verbund des Müttergenesungswerks zu klären, ob eine Kur für das jeweilige Problem das Richtige sei und wenn ja, ob eine Mutter-Kind-Kur oder eine Mütterkur geeignet wäre, welche Klinik für den Kuraufenthalt in Frage kommen könnte und ob gegebenenfalls eine finanzielle Unterstützung benötigt werde.
Bislang nehmen vor allem Mütter das Angebot einer Kur in Anspruch. Der Anteil an Vätern in Kurmaßnahmen ist im Vergleich zwar deutlich geringer, die Nachfrage steige aber. “Klar muss sein: Hilfe in Anspruch zu nehmen, ist etwas Starkes”, sagt Rupprecht.