Die Zeit zwischen den Jahren nutzen viele Menschen, um Bilanz zu ziehen und die vergangenen Monate abzuschließen. Wie das gut gelingen kann, erklären ein Psychiater und eine Entwicklungspsychologin.
Was hat das Jahr 2024 geprägt, was waren wichtige Ereignisse und Erlebnisse? Diese Frage kann laut einer Entwicklungspsychologin ein guter Einstieg für eine Selbstreflexion sein. “Das muss gar nichts Besonderes oder Einschneidendes gewesen sein, entscheidend ist, dass damit intensive Gefühle einhergingen und immer noch präsent sind”, sagte Judith Glück der Zeitschrift “Psychologie Heute” (Januar-Ausgabe). Manchmal lösten schon einzelne Sätze in einem Gespräch einen intensiven Prozess aus.
Sinnvoll könne darüber hinaus ein Perspektivwechsel sein: sich etwa zu fragen, wie sich das Gegenüber in bestimmten Situationen gefühlt habe oder was man einer guten Freundin in einer ähnlichen Lage sagen würde. Zudem riet Glück dazu, zu überlegen, was im ablaufenden Jahr richtig schön gewesen sei: “Vielleicht gibt es da eine vertraute Person, mit der ich gut reden kann. Oder ich habe entdeckt, dass mir Wandern guttut. Darauf kann ich dann im kommenden Jahr ein wenig mehr Augenmerk legen.”
Auch der Psychiater Michael Linden empfiehlt, sich auf das zu konzentrieren, was gut gelaufen ist. Das menschliche Gedächtnis reagiere sensibler auf Negatives, schreibt er in der Zeitschrift. “Man freut sich nicht jeden Tag, dass man nicht die Treppe heruntergefallen ist. Aber den Sturz von der Treppe – den merkt man sich.” Besonders schwer falle Menschen die Konzentration auf das Gute, wenn sie mit eigenen Fehler haderten.
Dabei lasse sich lernen, etwa “an meine Scheidung zurückzudenken, ohne mich automatisch darüber aufzuregen, oder auf meinen Unfall zu blicken, ohne Angst und Schuld zu empfinden”. Bewusst vergessen ließen sich Ereignisse nicht, und auch Verdrängung sei nicht hilfreich, so der Psychiater: “Es geht nur darum, für sich gewissermaßen das Buch zuzuklappen.”
Gelingen könne dies etwa über sogenanntes Rescripturing, das Umschreiben der eigenen Vergangenheit, bis man selbst in der Erzählung zum Helden werde. Das Ziel sei, schließlich emotionslos auf ein belastendes Ereignis zurückzublicken. Manchen stünden dabei Moralvorstellungen im Weg wie: “‘Du machst es dir zu einfach!’ Aber warum müssen Sie es sich kompliziert machen?” Linden: “Das Schöne am Negativen ist, dass es vorbei ist.”