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Ezra: Rechtsextremistische Angriffe auf Höchststand

Die Opferschutzorganisation Ezra hat im vergangenen Jahr thüringenweit 108 Angriffe mit ausdrücklich rassistischer Motivation gezählt. In 47 weiteren Fällen seien Übergriffe auf politische Verantwortungsträger und Gegner registriert worden, heißt es in dem am Donnerstag in Erfurt veröffentlichten Jahresbericht der Beratungsstelle. Insgesamt seien 206 rechtsextremistische Straftaten gezählt worden.

Stark zugenommen hat den Angaben zufolge auch die Gewalt gegenüber Personen mit anderer sexueller Orientierung. Die Zahl der registrierten Fälle habe sich gegenüber dem Vorjahreszeitraum auf 16 Angriffe im Jahr 2024 verdreifacht. In einem Fall sei ein schwules Pärchen geschlagen worden, weil es in der Öffentlichkeit Händchen gehalten habe, sagte Beraterin Theresa Lauß. Sowohl die Anzahl der Vorfälle als auch die gestiegene Aggressivität gegenüber Menschen mit gleichgeschlechtlichen Orientierungen sei Ausdruck einer wachsenden Feindseligkeit von Teilen der Bevölkerung gegenüber diesem Personenkreis.

In mehr als der Hälfte der 2024 registrierten Angriffe handelte es sich laut Ezra um Körperverletzungen (117). In 81 Fällen wurden Opfer bedroht oder genötigt. Ezra geht dabei insgesamt von einer hohen Dunkelziffer an rechtsextremistischen Übergriffen aus.

Beraterin Lauß sagte, sie schaue mit großer Sorge auf das Wiedererstarken neonazistischer Jugendgruppen, die durch ein aggressives Auftreten Angsträume schaffen. Ihren Angaben zufolge haben sich solche Strukturen zuletzt in Gera oder auch in Erfurt herausgebildet.

Besonders häufig wurden 2024 rechtsextremistische Angriffe aus Erfurt (46), Jena (22), Gera (19) und Weimar (16) gemeldet. Für den Landkreis Sonnenberg in Südthüringen führt die Statistik 15 Angriffe auf.

Laut Projektleiter Franz Zobel nimmt rechte Gewalt seit Jahren kontinuierlich zu und entwickelt sich im Zusammenspiel mit hohen Zustimmungswerten zu extrem rechten Positionen zu einem Massenphänomen. Ähnliche Tendenzen seien schon einmal in den 1990-er Jahren beobachtet worden.

Zobel sagte weiter, die Zahl der registrierten Straftaten stelle einen Höchststand seit der Einführung der Statistik im Jahr 2011 dar. Das mache den raschen Aufbau einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Hassdelikte notwendig. Auch sollte das Amt eines Opferschutzbeauftragten auf Landesebene geschaffen werden. Dieses solle die Interessenvertretung für Betroffene übernehmen und zugleich die bislang auf mehrere Ministerien verteilten Zuständigkeiten bündeln.

Zudem forderte Zobel, die Zahl der aktuell acht Ezra-Mitarbeitenden zu erhöhen. Die Beratungsstelle arbeite bereits jenseits ihrer Kapazitätsgrenzen. Mehr Personal werde Umfang und Qualität der Beratungen abseits der großen Städte deutlich verbessern. Im zurückliegenden Jahr konnten von Ezra 209 Personen in 830 Fällen unterstützt werden. Die Hilfen umfassten neben den Beratungen unter anderem auch die Begleitung in Gerichtsprozessen.

Ezra ist die mobile Beratung für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen. Seit 2012 befindet sie sich in Trägerschaft der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland.