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Expertin: “Die Abschiebung von Auszubildenden ist eine Katastrophe”

Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein hat sich gegen die Abschiebung von Geflüchteten in Ausbildung ausgesprochen. Immer wieder komme es vor, dass Geflüchtete abgeschoben werden sollen, obwohl sie in Ausbildung sind oder eine Zusage für einen Ausbildungsplatz haben, sagte Anne-Katrin Lother vom Flüchtlingsrat dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Donnerstag. Das sei eine Katastrophe für Betroffene und Betriebe, die angesichts des Fachkräftemangels den Verlust von Auszubildenden beklagen. Gemeinsam mit dem Paritätischen Wohlfahrtsverband koordiniert der Flüchtlingsrat das Beratungsnetzwerk „Alle an Bord! – Perspektive Arbeitsmarkt für Geflüchtete“, das Geflüchtete auf dem Weg in Arbeit und Ausbildung unterstützt.

Bis Ende Mai 2025 fanden in Schleswig-Holstein 229 Abschiebungen statt. Das seien fast doppelt so viele wie zu dieser Zeit im vergangenen Jahr. Auch Geflüchtete in Ausbildung seien von dieser Verschärfung betroffen. In den Landesstatistiken gebe es aber keine Aufschlüsselung darüber, wie viele es genau seien. Das Netzwerk wisse von fünf Fällen.

„In etwa einem Dutzend Fällen konnten wir letztes Jahr allerdings noch eingreifen und eine Abschiebung verhindern. Auch dieses Jahr haben wir schon jetzt in vielen Fällen intervenieren müssen“, sagte Lothar. Deshalb fordere das Netzwerk eine Re-Priorisierung der Fallbearbeitung in den Ausländerbehörden. „Außerdem sollte die Landesregierung auf die Ausländerbehörden einwirken. Oft gibt es Ermessensspielräume, die die Behörden in Zukunft positiv auslegen sollten.“

Es gebe nämlich keinen politischen oder gesellschaftlichen Konsens für diese Abschiebungen. Im Gegenteil: „Viele Betriebe in Schleswig-Holstein positionieren sich ganz deutlich gegen die Abschiebung von Geflüchteten in Ausbildung“, erklärte Lother.

Viele Geflüchtete, deren Asylverfahren nicht erfolgreich war, hofften auf eine sogenannte Ausbildungsduldung. Diese gesetzliche Regelung solle ihnen und den Betrieben in der Ausbildungszeit Sicherheit vor Abschiebungen bieten. Lother: „In der Praxis ist das aber oft schwierig. Bürokratische Hürden sind extrem hoch, die Ausländerbehörden arbeiten teilweise sehr langsam. So kommt es dazu, dass Geflüchtete trotz Ausbildung abgeschoben werden oder einen Ausbildungsplatz erhalten und diesen dann aber nicht annehmen können.“

Um sich gegen die Abschiebungen von Menschen in Ausbildung einzusetzen, hat das Netzwerk gemeinsam mit der Handwerkskammer Lübeck einen Appell initiiert, der bereits 331 Mal unterzeichnet wurde. 72 Unterschriften stammen von Betrieben und zivilgesellschaftlichen Organisationen. „Wir wollen auf dieses Thema aufmerksam machen und uns mit unserem Appell auch direkt an die Entscheidungsträger wenden. So hoffen wir, etwas zu bewegen“, sagte Lother.