Immersive Ausstellungen – betäuben sie eher die Sinne oder wirken sie anregend? Ein Experte der Kölner Kunsthochschule sieht derartige Kunstprojekte, bei denen man in Welten “eintaucht” kritisch – vor allem für Kinder.
In Bilder eintauchen – und sich dabei eins fühlen mit dem Kunstwerk und der gezeigten Darstellung: Den Boom solcher immersiven Ausstellungen sieht Mischa Kuball, Professor für Medienkunst an der Kölner Kunsthochschule für Medien, kritisch: “Hier wird das Gegenteil von Denkfähigkeit, Ideenentwicklung und Kreativität gefördert, es geht im Grunde um Überwältigung”, sagte Kuball in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Köln.
Der Begriff Immersion beschreibt den Effekt, in eine multimediale Illusion aus Bild und Ton, in eine virtuelle Welt einzutauchen. Die virtuelle Präsenz wird als nahezu real empfunden.
Ein “klassischer” Museumsbesuch fordere die Denkfähigkeit stärker heraus, erklärte Kuball. Der Eigenanteil sei höher; bei einer immersiven Schauen müsse man nichts leisten:
“Wenn ich ein Bild von Peter Bruegel anschaue, das 40 mal 60 Zentimeter groß ist und ein kleines Universum seiner Welt darstellt, dann erfasse ich es mit dem Auge und muss es mit meiner Imagination und einer großen vernetzten Leistung des Gehirns erschließen”, sagte er. “Wenn ich in dieses Bild aber als große Raumprojektion eintrete, dann verschieben sich die Dimensionen und die Skalierung, ich bin praktisch umhöhlt und damit auch ein Stück weit betäubt.”
Dies sei für ihn keine Kunst, sondern “gut gemachtes Entertainment”, so Kuball. Das sei grundsätzlich völlig zulässig; auch ein Musical sei eben ein Musical und ersetze zwar nicht Oper oder Kammerspiel, sei aber eine zusätzliche Kulturpraxis.
Für Kinder seien immersive Ausstellungen indes nicht besonders gut geeignet: “Bei Kindern, das zeigen neurowissenschaftliche Studien, führt dies zum Abschalten und zu Distanz. Es ist eine Gefahr, wenn wir eine junge Generation an die Unterhaltungsbranche verlieren, die wir gut und durch gezielte Angebote in der Museumspädagogik abholen könnten”, erklärte der Experte.
Zudem bezeichnete Kuball es als irritierend, “dass auf der einen Seite gefordert wird, dass die Museen die Eintrittspreise abschaffen sollen, damit mehr Menschen ins Museum gehen – und hier zahlen Menschen sehr viel Geld als Familien.” Im immersiven Deutschlandmuseum in Berlin etwa kann ein Besuch für eine fünfköpfige Familie rund 67 Euro und mehr kosten.