Viele Menschen kennen nicht einmal die Notrufnummer 112, warnen Fachleute. Der Umgang mit Notfällen müsse früher und häufiger trainiert werden. Änderungen erhoffen sie sich teils von Apps – vor allem aber mit Kindern.
Erste-Hilfe-Kurse vor der Führerscheinprüfung? Zu diesem Zeitpunkt kommt die Schulung nach Worten eines Mediziners zu spät. Kinder seien dafür oft ansprechbarer als Erwachsene, sagte der Wiesbadener Internist Thomas Weber am Mittwoch. Ab dem 3. Mai findet in der hessischen Landeshauptstadt der Internistenkongress unter dem Motto “Resilienz – sich und andere stärken” statt.
Erste-Hilfe-Kurse machten auch jungen Kindern keine Angst, betonte Weber, der Vorsitzender des Vereins “Wiesbaden lernt Erste Hilfe” ist. Dort haben laut Angaben bislang 18.000 Schulkinder entsprechende Maßnahmen gelernt. Wenn sie Risiken früh kennenlernten, könne dieses Wissen später ausgebaut werden. Zudem seien Wiederholungskurse im Erwachsenenalter geboten.
“Die Notfallkompetenz des Durchschnittsbürger ist gering”, kritisierte Weber. Die Notrufnummer 112 sei zu wenig bekannt, und erst Recht die 116 117, unter der der ärztliche Bereitschaftsdienst erreichbar ist. Zudem könnten die meisten Menschen nicht unterscheiden, ob eine Erkrankung oder Verletzung lebensbedrohlich sei oder nicht – weswegen der Rettungsdienst immer häufiger wegen geringfügiger Schnittverletzungen oder wegen mittelhohem Fieber bei Kleinkindern gerufen werde. Diese Kapazitäten fehlten dann an anderer Stelle.
Elektronische Messgeräte und seriöse Informationsportale im Netz könnten zur Aufklärung beitragen, sagte Weber. Es brauche jedoch eine stärkere Begleitung durch Fachpersonal: Bislang würden standardmäßig nur bestimmte Patientengruppen für Notfälle geschult, etwa Diabetikerinnen und Diabetiker. Wer jedoch in einem Notfall erst eine App aufrufen und durchschauen müsse, verliere wertvolle Zeit.
Der langjährige Organisationsleiter des Patiententags beim Internistenkongress, Norbert Schütz, fügte hinzu, dass im Netz auch viele zweifelhafte Informationen kursierten, die Behandlungsprozesse erschweren könnten. “Dem müssen wir uns stellen”, betonte der Internist. Er sehe in “Dr. Google” oder auch Informationen von ChatGPT jedoch große Chancen, sofern diese fachlich begleitet würden.