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Arbeitsrechtler Joussen: Sonderrechte der Kirchen bleiben begrenzt

Das Bundesverfassungsgericht hat die Rechte kirchlicher Arbeitgeber gestärkt. Der Arbeitsrechtler Jacob Joussen sieht darin eine überraschende Kurskorrektur.

Jacob Joussen ist Direktor des Instituts für Kirchliches Arbeitsrecht und Professor für deutsches und europäisches Arbeitsrecht an der Ruhr-Uni Bochum
Jacob Joussen ist Direktor des Instituts für Kirchliches Arbeitsrecht und Professor für deutsches und europäisches Arbeitsrecht an der Ruhr-Uni Bochumepd-bild/Heike Lyding

Der Bochumer Arbeitsrechtler Jacob Joussen hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Frage, inwieweit kirchliche Arbeitgeber eine Kirchenmitgliedschaft von Bewerbern verlangen können, als „überraschend“ bezeichnet. Nachdem das Bundesarbeitsgericht und der Europäische Gerichtshof mit ihren Urteilen in letzter Zeit den Spielraum der Kirchen in Bezug auf ihre arbeitsrechtlichen Besonderheiten mehr und mehr eingeschränkt hätten, habe das Bundesverfassungsgericht nun einen anderen Akzent gesetzt, sagte der Direktor des Instituts für Kirchliches Arbeitsrecht und Professor für deutsches und europäisches Arbeitsrecht an der Ruhr-Uni Bochum dem Evangelischen Pressedienst (epd).

In dem konkreten Fall, bei dem es um die Stelle einer Sachreferentin im Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung ging, äußerte Joussen jedoch „erhebliche Zweifel, ob die Abwägung wirklich zulasten der Bewerberin ausfallen kann“. Die Sozialpädagogin Vera Egenberger hatte sich erfolglos als Referentin beim Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung beworben. In der Ausschreibung wurde eine Kirchenmitgliedschaft verlangt.

Bundesverfassungsgericht hebt Urteil vom Bundesarbeitsgericht auf

Die konfessionslose Egenberger klagte schließlich bis zum Bundesarbeitsgericht wegen religiöser Diskriminierung. Dieses legte die Sache dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor. Nachdem der EuGH 2018 entschied, dass sich die Kirchen bei Stellenbesetzungen nicht pauschal auf ihr religiöses Selbstbestimmungsrecht berufen können, sprach das Bundesarbeitsgericht Egenberger wegen Diskriminierung eine Entschädigung von knapp 4.000 Euro zu. Die Diakonie legte dagegen Verfassungsbeschwerde ein und hatte nun Erfolg. Das Bundesverfassungsgericht hob das Urteil nun auf (AZ: 2 BvR 934/19) und verwies den Fall an das Bundesarbeitsgericht zurück. Dieses habe die Belange des religiösen Arbeitgebers nicht ausreichend berücksichtigt und damit dessen im Grundgesetz verankertes Selbstbestimmungsrecht verletzt.

Die Kirchen sollten sich auf diesem Urteil aber nicht ausruhen, mahnte der Arbeitsrechtler Joussen: „Sie haben zwar verfassungsrechtliche Sonderrechte, aber diese sind trotz des heutigen Urteils begrenzt.“ Außerdem liege bereits der nächste Fall beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg, bei dem es um eine Kündigung wegen des Kirchenaustritts gehe. Der Experte empfahl den Kirchen, auch mit Blick auf den Fachkräftemangel die Rechte ihrer Arbeitnehmer ausreichend zu achten.