Für Kulturbegeisterte gehört es zum guten Ton, möglichst viele Ausstellungen zu besuchen. Doch manche Wissenschaftler hegen Zweifel: Man sollte Kunstwerke möglichst an dem Ort betrachten, für den sie geschaffen wurden.
Kunst als Konsumprodukt? Ausstellungshopping als Urlaubszweck? Das ist nichts für Martin Raspe, Kunsthistoriker an der deutschen Bibliotheca Hertziana in Rom. “Durch diese Musealisierung wird Kunst aus ihrem Kontext gerissen und verliert an Verständlichkeit”, sagte Raspe am Donnerstag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Rom. “Für mich ist es viel schöner, das Kunstwerk an seinem Original-‘Schauplatz’ anzusehen: an dem Altar, für den es gemacht ist, in der Umgebung und unter den Lichtverhältnissen, für die es geschaffen wurde.”
Die wenigsten Ausstellungen seien so konzipiert, dass sie jedem Exponat gerecht werden. “Oft herrscht großes Gedränge, so dass die Ruhe fehlt, sich die Werke eingehend anzusehen. Ungünstiges Licht, Spiegelungen oder schlechte Luft sind dem Kunstgenuss abträglich. Das strengt unheimlich an und funktioniert selten”, so der Experte. “Ich wäre mehr für kleine wissenschaftliche Ausstellungen, aber da spreche ich in eigener Sache. Die großen Eventausstellungen sind nichts für mich.”
Natürlich sei es für Fachleute wichtig, selten gezeigte Gemälde im Original zu studieren und mit bekannten Werken zu vergleichen – schließlich könne man nicht in jede Kirche oder jeden Palast auf der ganzen Welt reisen. Aber: Oft genug dienten Ausstellungen dazu, fragwürdige Werke zu präsentieren, um deren Marktwert zu steigern. Um einen guten Überblick zu bekommen, müsse man keine Massenausstellungen besuchen. “Mit einem gut ausgestatteten Bildband kann man sich – zum Beispiel – den ganzen Caravaggio anschauen – und in Ruhe vergleichen.”