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Experte: Antisemitismusvorwurf gegen Carlo Acutis überzogen

Heiliger mit Makel? Carlo Acutis’ Wundersammlung enthält umstrittene Geschichten. Warum ein Theologe dennoch hinter der Heiligsprechung des Internetapostels steht.

Der Trierer Liturgiewissenschaftler Marco Benini hält Antisemitismusvorwürfe gegen Carlo Acutis für überzogen. Das sagte er am Freitag im “Deutschlandfunk”. Der als “Internetapostel” bekannte Jugendliche hatte in einer Liste auf seiner Website Eucharistische Wunder gesammelt, von denen manche auch kritisch zu sehen seien, so Benini. Darunter seien auch Wunder um sogenannte “Bluthostien” gewesen, aus denen antijüdische Taten abgeleitet wurden.

Der Begriff Bluthostie bedeutet, dass sich nach Diebstahl oder Schändung von Hostien vermeintlich Blut an dem Brot zeigte. Dieser “Hostienfrevel” wurde in der Geschichte oft Jüdinnen und Juden angelastet, die daraufhin immer wieder Opfer von Gewalt wurden. Nach Beninis Einschätzung hat Acutis um diese Zusammenhänger allerdings vermutlich überhaupt nicht gewusst: Er habe lediglich in einer Liste alle Eucharistischen Wunder zusammengestellt, die er im Internet finden konnte. Benini betonte, bei der für den 7. September geplanten Heiligsprechung gehe es nicht um die Heiligsprechung von mittelalterlichen Wundern, sondern um “die Heiligsprechung eines fünfzehnjährigen Jungen, der das gesammelt hat”.

Zu den Kritikern der Heiligsprechung gehört der Beauftragte der Bundesregierung gegen Antisemitismus, Felix Klein. Antijüdische Aspekte im Kontext eucharistischer Wunder seien bei der Entscheidung der Kirche nicht bedacht worden, meinte er und forderte die Kirche auf, diesen Aspekt aufzuarbeiten.

Mit dem mit 15 Jahren an Leukämie verstorbenen Carlo Acutis wird laut Benini ein junger, moderner und sympathischer Mensch heiliggesprochen. Die Kirche stelle ganz bewusst einen Jugendlichen ins Zentrum, damit sich junge Leute mit ihm identifizieren könnten, so der Theologe. Das zeige: “Heiligkeit ist nicht auf ein bestimmtes Alter fixiert und nicht eine Sache von vergangenen Jahrhunderten, sondern auch heute möglich.”

Die für viele Menschen befremdlich erscheinende Tradition der Reliquienverehrung lasse sich am besten mit einem Vergleich erklären, so Benini: Wie man sich am Grab einer verstorbenen Person besonders nah fühle, mache eine Reliquie die Nähe eines Heiligen deutlich. Wenn jemand sich dem Heiligen durch die Reliquie annähern wolle, dann sei das gut, aber “wenn jemand sagt, nein, ich brauche das nicht, dann ist das auch fein”.