Viktor Orban sucht mehr Kontrolle über auslandsfinanzierte Organisationen. Sein Gesetz für “Transparenz im öffentlichen Leben” ist aus Sicht von Menschenrechtskommissar O’Flaherty ein Mittel, um Kritiker zu unterdrücken.
Der Menschenrechtskommissar des Europarats, Michael O’Flaherty, hat Ungarns Parlament aufgefordert, einen umstrittenen Gesetzentwurf zur Kontrolle von zivilgesellschaftlichen Organisationen nicht anzunehmen. Er sei besorgt über die Folgen für die freie Meinungsäußerung und die Vereinigungsfreiheit, heißt es in einem am Mittwoch in Straßburg veröffentlichten Brief O’Flahertys an Parlamentspräsident Laszlo Köver.
Der Gesetzentwurf nach russischem Vorbild von Ungarns Fidesz-Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orban sieht vor, Nichtregierungsorganisationen, Medien und Firmen auf eine Schwarze Liste setzen zu können, wenn sie Geld aus dem Ausland erhalten und “die Souveränität Ungarns bedrohen”. Die betreffenden Organisationen müssen dann jede Zuwendung ausländischer Finanziers von einer Anti-Geldwäsche-Behörde genehmigen lassen. Gegen Sanktionen, die bis zur Auflösung der Organisation reichen können, gibt es keine unmittelbaren Rechtsmittel.
Menschenrechtskommissar O’Flaherty kritisierte, nach dem Gesetzentwurf bleibe unklar, was genau eine Bedrohung der Souveränität darstellen solle und warum. Die Regelung werfe Fragen hinsichtlich der Rechtsstaatlichkeit auf. Die Kontrollinstanzen und ihr Entscheidungsspielraum ließen es zu, gezielt regierungskritische Organisationen zu unterdrücken.
Grund zur Sorge gebe auch der Einsatz der Finanzaufsicht, um auslandsfinanzierte Aktivitäten zu bestrafen, die zur demokratischen Auseinandersetzung beitragen wollten. Dass die Leiter der betreffenden Organisationen als öffentliches Risiko namentlich gelistet würden, stelle diese unter eine verschärfte Überwachung und Sorgfaltspflicht. Die Regelung gelte sogar für zwischenstaatliche Organisationen, bei denen Ungarn Mitglied sei.
Schließlich verwies O’Flaherty noch auf einen Vorläufer der aktuellen Gesetzesinitiative; Ungarns Parlament hatte diesen Entwurf 2017 angenommen. Obwohl das Gesetz weniger strikt war, beurteilte der Europäische Gerichtshof es 2020 als unvereinbar mit der EU-Grundrechtecharta und als Verstoß gegen die EU-Verträge.