Die scheidende SPD-Chefin Saskia Esken kritisiert Medienkampagnen gegen sich und stellt fest: Frauen müssten im Vergleich zu Männern in der Politik doppelt so viel leisten, um ernst genommen zu werden.
Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hat in einem Interview der “taz” (Donnerstag) öffentliche Debatten um ihre berufliche Zukunft als “unangemessen” kritisiert. Zudem beklagte die Politikerin den Umgang der Medien mit ihr. “Wenn die öffentliche Jagd begonnen hat, werden positive Stimmen auch gern ignoriert”, sagte sie demnach. So sei ein Interview mit der jetzigen Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) suggestiv als mangelnde Unterstützung für Esken gedeutet worden.
“Frau Bas wurde in einem Interview gefragt, ob sie Lars Klingbeils Kandidatur als Parteivorsitzender unterstützt. Sie sagte Ja. Und hat darauf gewartet, dass man sie fragt, ob sie meine Kandidatur unterstützt. Die Frage wurde nicht gestellt. Daraus wurde gemacht: Bas schweigt zu Esken. Das ist eine miese Tour”, sagte Esken, die sich nach sechs Jahren als Parteichefin nun zurückzieht. Ihre designierte Nachfolgerin ist Bas, mit der sich Esken laut eigener Aussage “sehr gut” versteht.
Eine “Kampagne” sieht die SPD-Politikerin zudem in der Berichterstattung rund um die Nominierung für den Bundesparteivorstand in diesem Jahr. Sie habe ihren Landesverband nicht darum gebeten. Zudem: “Bei der letzten Wahl war ich nominiert, davor auch mal nicht. Es spielt keine große Rolle.” In vielen Medien sei daraus aber gemacht worden: “Esken wurde ja noch nicht mal von ihrem Landesverband nominiert.”
Statt Parteikollegen zu ihrer politischen Zukunft zu befragen, hätte es außerdem wichtigere Themen gegeben, kritisierte sie weiter: “Wie kriegen wir es hin, die Rechtsradikalen wieder aus dem Parlament zu drängen? Wie stärken wir Demokratie und Zusammenhalt, wie entwickeln international ein gutes Standing für Deutschland und Europa? Stattdessen redet man über Personalien. Das war schade.”
Frauen haben es laut Esken in der Politik schwerer als Männer. “Wir müssen doppelt so viel bringen. Was die männliche Welt von politisch aktiven Frauen erwartet, ist höchst widersprüchlich und deshalb unerfüllbar”, erklärte sie. Schon mit 14 Jahren in der Schülermitvertretung und im selbstverwalteten Jugendhaus habe sie gemerkt, dass Frauen viel auf die Waagschale legen müssten, um ernst genommen zu werden. Sie habe für sich entschieden, ihr eigenes Rollenbild auszufüllen. “Das ist mein Maßstab.”
Esken will sich künftig im Ausschuss für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend einbringen. Sie werde ihre Partei auch in dieser neuen Rolle immer kritisch begleiten. “Aber man darf von mir erwarten, dass ich nicht aus persönlichen Gründen gegen die SPD gifte.” Andrea Nahles habe es auch geschafft, nach ihrem Rückzug auf öffentliche Kritik an ihren Nachfolgern zu verzichten. Esken: “Wir Frauen können das.”