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„Es soll bis zuletzt Leben sein“

Im Kirchenkreis Recklinghausen wurden ehrenamtliche Sterbebegleiter für einen ambulanten Hospizdienst ausgesandt. Festredner war Franz Müntefering

METZEDORF/SEHKRAF

OER-ERKENSCHWICK – „Wie kann ein Mensch bis zuletzt in Würde leben?“ Die Frage von Katrin Göckenjan, Superintendentin des Evangelischen Kirchenkreises Recklinghausen, ist eine Frage, die nach erlebbarer Antwort sucht. Die haben der Evangelische Kirchenkreis Recklinghausen und die Diakonie im Kirchenkreis jetzt mit der Gründung des Ambulanten Hospizdienstes in Oer-Erkenschwick gegeben.

Franz Müntefering, ehemaliger Minister und Vizekanzler, war der Redner bei der Gründungsveranstaltung. Sein Thema: Würdevolle Begleitung am Lebensende. „Es soll bis zuletzt Leben sein“, so Franz Müntefering. „Das Sterben hat sich nicht verändert. Es ist heute genauso vom Schmerz begleitet wie früher. Die Rahmenbedingungen haben sich verändert.“
Dort, wo früher die Nachbarschaft den Sterbenden und auch den Angehörigen zur Seite stand, sei heute vielfach niemand mehr zu finden. „Darum ist es so wichtig, dass es stationäre und ambulante Hospizarbeit gibt“, so Müntefering. „Ich kann Ihnen aus eigener Erfahrung sagen. Es ist gut, wenn Sie nachts um zwei jemanden anrufen können und Hilfe erhalten.“
Müntefering war 2007 von seinen politischen Ämtern zurückgetreten, um seine krebskranke Frau Anke-Petra beim Sterben zu begleiten. Den ehrenamtlichen Hospiz-Mitarbeitenden sagte er: „Ich bringe Ihnen und Ihrer Arbeit großen Respekt und Dankbarkeit entgegen. Unsere Gesellschaft braucht Sie.“
Zuvor waren 23 ehrenamtlich tätige Hospizbegleiterinnen und -begleiter in einem Gottesdienst in ihren Dienst gesandt worden. Sie haben eine umfangreiche Ausbildung über ein Jahr absolviert. „Die Ausbildung ist notwendig, wenn Menschen sich auf die verantwortungsvolle Aufgabe der Begleitung von sterbenden Menschen einlassen“, sagt Pfarrer Ulrich Radke, kreiskirchlicher Hospizkoordinator.
Dass der Ambulante Hospizdienst Bedeutung über die kirchlichen Grenzen hinaus hat, war an der Zusammensetzung der Gesprächsrunde zu erkennen, die sich an den Vortrag von Franz Müntefering anschloss. Moderator und Diakoniepfarrer Dietmar Kehlbreier konnte Landrat Cay Süberkrüb, die stellvertretende Bürgermeisterin Silke Krieg, Superintendentin Katrin Göckenjan, Michael Börth als ehrenamtlich Mitarbeitender im Hospizdienst und die beiden Schirmherren Wichart von Roëll und seine Frau Anne Althoff-von Roëll in der Runde begrüßen. „Sterben ist ein Teil des Lebens. Wir wollen, dass Menschen in der letzten Phase ihres Lebens nicht alleine sind und dass auch ihre Angehörigen Begleitung erfahren – wenn sie es wünschen und den Hospizdienst in Anspruch nehmen“, hieß es.
Der Ambulante Hospizdienst bietet ab sofort psychosoziale und spirituelle Begleitung im häuslichen Umfeld für schwerstkranke und sterbende Menschen und deren Angehörige an. Hospizkoordinator Pfarrer Ulrich Radke: „Bei uns steht der sterbende Mensch im Vordergrund. Wir respektieren seine Wünsche und begleiten, wie er es möchte. Wir bringen Zeit mit, hören zu und gehen einfühlsam auf die jeweilige Situation ein.“
Der neugegründete Hospizdienst befindet sich in Trägerschaft des Evangelischen Kirchenkreises Recklinghausen in Zusammenarbeit mit dem Diakonischen Werk im Kreis Recklinghausen in enger Zusammenarbeit mit der evangelischen und katholischen Kirchengemeinden in Oer-Erkenschwick.
Der Hospizdienst kooperiert eng mit weiteren Leistungsanbietern aus den Bereichen der ambulanten und stationären Altenhilfe und Pflegediensten in der Stadt. Dies geschieht auf Grundlage des gemeinsamen christlichen Menschenbildes, um in Zukunft im Rahmen einer vernetzten Versorgungsstruktur Sterbende unterstützend zu begleiten.