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Erzählen heißt Frieden schließen

Welche Rolle Geschichten bei Gemeindebesuchen spielen, erklärt Martin Kaminski vom Amt für Gemeindeentwicklung und missionarische Dienste der rheinischen Landeskirche

Ein Besuchsdienstmagazin voller Geschichten – wie kamen Sie auf diese Idee?
Geschichten spielen eine ganz wichtige Rolle in den Besuchsdiensten unserer Gemeinden: Die Menschen, die wir besuchen, öffnen sich und erzählen uns ihr Leben. Gleichzeitig hat jeder Besuch, den wir machen, seine eigene Geschichte: mal fröhlich, mal traurig, manchmal auch einfach lustig oder skurril. Davon handelt dieses Heft.

Ist es auch als Werbung für die Besuchsdienstarbeit gedacht?
Natürlich! Wir suchen immer Frauen und Männer, die mitmachen wollen, die Interesse an anderen Menschen und Lebensgeschichten haben. Das Heft soll Lust machen, es auch einmal mit diesem Engagement zu versuchen.

Braucht man besondere Kenntnisse, um Menschen in der Gmemeinde zu besuchen?
Nein. Besuche kann jeder machen, der offen ist für Begegnungen mit anderen. Das Heft zeigt es ja: Jede Besucherin, jeder Besucher ist Experte für das, was er tut – ins Gespräch kommen, zuhören, Beziehungen aufbauen und pflegen. Neugierde auf andere Menschen und ein bisschen Vertrauen in die eigene Lebenserfahrung reicht schon aus, um den ersten Kontakt zu knüpfen. Natürlich kann es dann hilfreich sein, sich fortzubilden – wir bieten da auch viele Seminare in Gesprächsführung usw. an –, aber das ist keine Voraussetzung.

Wie kommt es, dass Sie bei Besuchen so viele Geschichten hören?
Menschen erklären sich selbst und ihre Umwelt über Geschichten. Ereignisse werden verknüpft, um bestimmte Dinge zu begründen, zu erzählen, zu verdeutlichen. Unser Gehirn ist geradezu darauf angelegt, Erlebnisse zu Geschichten zusammenzusetzen. Darum erzählen Menschen gerne, und sie hören gerne, was andere erzählen.

Erzählen die Besucherinnen und Besucher auch von sich?
Ja, wenn es gut läuft, ist das ein gegenseitiges Erzählen. Es kommt ja bei den Besuchen häufiger vor, dass es nicht bei einem einmaligen Kontakt bleibt. Manchmal entwickeln sich Beziehungen, die über Jahre hinweg halten. Das ist dann ein Geben und Nehmen von beiden Seiten, das von den Ehrenamtlichen als sehr wertvoll empfunden wird.

Ist das, was Sie machen, eine Form von Seelsorge?
Ja, aber eine spezielle Form. Wir begegnen den Besuchten auf Augenhöhe. Indem sie uns erzählen, was sie erlebt haben, erfahren sie Wertschätzung, aber keine Verurteilung. Ich bin oft beeindruckt davon, wie Menschen beim Erzählen Frieden schließen mit ihrer Lebensgeschichte, auch mit den schweren Zeiten darin. leg