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Energische Worte

Über den Predigttext am Sonntag Sexagesimä: Hebräer 4,12-13

Predigttext
12 Denn das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert, und dringt durch, bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens. 13 Und kein Geschöpf ist vor ihm verborgen, sondern es ist alles bloß und aufgedeckt vor den Augen Gottes, dem wir Rechenschaft geben müssen.

Geheimnisvoll ist die Stimme, die in der Bibel „Wort Gottes“ genannt wird. Diese Stimme spricht durch Menschen, durch Propheten und Apostel, spricht besonders durch Jesus Christus selber. Und sie spricht so, dass sie unsere Seele anspricht und für Gott lebendig macht: „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein!“ (Jesaja 43,1)
Das Wort Gottes spricht durch Menschen, durch Predigende. Doch kein Prediger der Welt hat es in der Hand, dass die Botschaft auch beim anderen ankommt. Genauso wenig kann ein Mensch einem anderen Gott beweisen. Auch nicht, dass Jesus von den Toten auferstanden ist. Nicht einmal die ursprüngliche Textfassung des Neuen Testaments haben wir in der Hand.

Kein Mensch kann Gott beweisen

Allerdings gibt es viele sehr alte Fragmente und Textzeugen, die uns die jetzige Textfassung als die Ursprüngliche wahrscheinlich machen.
Das „Wort Gottes“ ist nicht in unserer Verfügungsgewalt. Das macht bescheiden und bewahrt Christenmenschen davor, anderen das „Wort Gottes“ in fundamentalistischer Weise sozusagen „um die Ohren zu hauen“. Geleitet durch den Heiligen Geist kann aber jede und jeder im Wort Gottes das Fundament des eigenen Lebens entdecken. Wie ein Spiegel zeigt es uns, wo wir vor Gott stehen und was er mit uns vorhat. Nicht aggressiv nach außen entfaltet das Wort Gottes seine Energie, sondern für die Lesenden persönlich.
Beweisen kann ich übrigens auch nicht die Historizität des folgenden Berichtes, den der Benediktinermönch und Russlandkenner Pater Chrysostomus Dahm überliefert hat. Für mich spricht allerdings viel dafür, dass es so gewesen ist.
Im Moskauer Staatstheater fand die Premiere des antireligiösen Stückes „Christus im Frack“ statt. Schulen und Jugendorganisationen sollten das Stück diskutieren. Die Hauptrolle des Christus spielte der in der Sowjetunion berühmte Schauspieler und Kommunist Alexander Rostowzew.
Das Theater war bis auf den letzten Platz ausverkauft. Auf der Bühne stand so etwas wie ein „Altar“ – mit Schnaps- und Bierflaschen übersät. Betrunkene und grölende Popen, Nonnen und Mönche bewegten sich um diese Bartheke.

Theaterstück als atheistische Propaganda

Da betritt Rostowzew die Bühne. In seinen Händen hält er die Bibel, das Wort Gottes. Mit Witzen und Späßen soll er die Zuschauer zum Lachen bringen über den angeblichen Unsinn des christlichen Glaubens. Nach Verlesen der ersten beiden Verse aus der Bergpredigt soll der Schauspieler in den Ruf ausbrechen: „Reicht mir Frack und Zylinder!“
Rostowzew beginnt und liest: „Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich. Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.“ Der Regisseur schmunzelt erwartungsvoll hinter den Kulissen: Gleich wird das Gelächter losgehen. Aber es geschieht nicht.

Als stünde Jesus selbst vor ihnen

Rostowzew liest weiter: „Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen.“ Das Publikum spürt, dass in dem Schauspieler etwas vorgeht. Er tritt mit der Heiligen Schrift an die Rampe, schaut wie gebannt in das Buch und liest … und liest das ganze fünfte Kapitel des Matthäusevangeliums. Niemand unterbricht ihn. Sie lauschen – als stünde Jesus selbst vor ihnen.
Rostowzew schließt das Buch. Es sieht so aus, als deute er damit auch etwas Endgültiges für sein Leben an. Er bekreuzigt sich und spricht laut und vernehmbar die Worte des Schächers am Kreuz: „Jesus, denke an mich, wenn du in dein Reich kommst!“
Niemand pfiff oder protestierte. Stumm verließen alle das Theater. Das Stück kam nicht mehr zur Aufführung. Und Rostowzew war nach jenem Premierenabend für immer verschwunden.