Nayib Bukele feiert sich am sechsten Jahrestag seiner Präsidentschaft vor allem selbst. Derweil wird es für Regierungskritiker in El Salvador immer schwieriger, sich zu äußern. Doch die Kirche meldet sich zu Wort.
Den Häftlingen im Hochsicherheitsgefängnis Cecot macht El Salvadors Präsident Nayib Bukele eine klare Ansage: “Wir werden sie nie freilassen.” Es ist der sechste Jahrestag seiner Amtszeit. Bukele zieht Bilanz und feiert eigene Erfolge, die er tatsächlich vorweisen kann. Dann geht er auf die Kritiker seines knallharten Kurses zur Bekämpfung der Bandenkriminalität ein: “Es ist mir egal, wenn man mich Diktator nennt. Das ist mir lieber, als dass Salvadorianer auf der Straße getötet werden.”
Gemeint ist der rechtliche Ausnahmezustand, mit dem Bukele seit Jahren regiert – und durch den quasi jeder Verdächtige verhaftet werden kann. Mehr als 80.000 Menschen wurden so bereits festgenommen. Wie viele davon eigentlich unschuldig sind, weiß niemand so genau. “Einige tausend”, meinten jüngst Aktivisten der Menschenrechtsorganisation Cristosal. Inzwischen ist ihre Anwältin Ruth Lopez ebenfalls in Gewahrsam genommen worden. Sie hatte über Korruption und Menschenrechtsverletzungen berichtet.
Auch andere Aktivisten verschwinden auf fragwürdige Weise im Gefängnis. Zuletzt berichteten US-Medien, dass von 238 aus den USA nach El Salvador abgeschobenen Venezolanern nur 32 eine Vorstrafe hätten. Für Aufnahme und Inhaftierung der angeblich kriminellen Abgeschobenen hatte El Salvador eine Millionensumme aus Washington kassiert.
Solche Berichte stören Bukele. Der Präsident ist dank seiner im Inland seit Jahren außerordentlich hohen Beliebtheitswerte nahezu allmächtig. Im Parlament gehören mittlerweile nur noch drei der 60 Abgeordneten zur Opposition. So kann er ungehindert Verfassungsänderungen und Gesetzesentwürfe einbringen. Wie jüngst einen als “Knebelgesetz” kritisierten Vorstoß, der darauf abzielt, Nichtregierungsorganisationen von internationalen Geldgebern abzuschneiden. Auch politische Stiftungen aus Deutschland wären davon betroffen. Sie überlegen nun, ob ein Verbleib im Land möglich ist. Der nicaraguanische Schriftsteller und ehemalige Vizepräsident Sergio Ramírez wähnt Bukele auf einem ähnlichen Weg, wie ihn Diktator Daniel Ortega in Managua beschreitet.
Weil immer mehr regierungskritische Stimmen in El Salvador verschwinden (müssen), springt die katholische Kirche in die Bresche. Sie riskiert damit einiges. Im Vorfeld der Bukele-Rede am Sonntag veröffentlichte die Salvadorianische Bischofskonferenz einen mehrseitigen Hirtenbrief – einen ziemlich unverhohlenen Appell an Bukele. Die Politik müsse “auf die Stimme der Ärmsten und Schwächsten hören”, schreiben die Bischöfe und führen Beispiele auf. Zum Beispiel jene, die ihrer nicht genehmigten Verkaufsstände beraubt worden seien: “Es ist dringend notwendig, all diesen Menschen Alternativen aufzuzeigen, damit sie mit dem Unterhalt ihrer Familien zurechtkommen können.”
Dass sich die Bischöfe mit ihrer Kritik auf dünnes Eis begeben, ist ihnen offensichtlich klar. So betonen sie, dass sie keinesfalls “den nationalen Behörden widersprechen” wollten oder von “ideologischen Parteiinteressen” geleitet würden. Die Regierung müsse “auf die Forderungen und Bedürfnisse des Volkes eingehen” und “ohne Zwang” gesellschaftliche Einheit fördern. Menschenrechte, Bildung, Gesundheit und die Umwelt sollten dabei Priorität haben, heißt es in dem Brief. Eine Kooperation mit den USA bei der Abweisung von Migranten wird als unzulässig erachtet.
Dann folgt die eindringlichste Bitte. Die Sicherheitslage in El Salvador habe sich in den vergangenen Jahren tatsächlich deutlich verbessert, räumen die Bischöfe ein. Jetzt sei es aber an der Zeit, zur Normalität zurückzukehren. Dass der Präsident diesem Appell folgt, ist indes eher unwahrscheinlich. Zumindest in nächster Zeit dürfte er seinem kompromisslosen Kurs weiter treu bleiben. Zwar ging sein Zustimmungswert in der Bevölkerung zuletzt leicht zurück, er liegt aber immer noch bei fast 85 Prozent. Eine Beliebtheit, von der andere Regierungschefs nur träumen können.