Predigttext
1 So ermahne ich nun, dass man vor allen Dingen tue Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen, 2 für die Könige und für alle Obrigkeit, damit wir ein ruhiges und stilles Leben führen können in aller Frömmigkeit und Ehrbarkeit. 3 Dies ist gut und wohlgefällig vor Gott, unserm Heiland, 4 welcher will, dass allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. 5 Denn es ist ein Gott und ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, nämlich der Mensch Christus Jesus, 6 der sich selbst gegeben hat für alle zur Erlösung.
Haben Sie schon mal einen „quiet chair“, einen „Stillen Stuhl“, gebucht? Wie, noch nie davon gehört? Ich gebe zu, ich auch nicht – bis letzte Woche. In der letzten Woche habe ich den wöchentlichen Kommentar von Axel Hacke gelesen. So heißt ein Autor des Magazins der Süddeutschen Zeitung. Er hat vom „Stillen Stuhl“ berichtet. Seitdem kriege ich diese wunderbare Erfindung nicht mehr aus meinem Kopf. Den „Stillen Stuhl“.
Einmal Ruhe – eine himmlische Vorstellung
In Cardiff, der Hauptstadt von Wales, gibt es einen Frisörsalon, in dem man einen „Stillen Stuhl“ buchen kann. Wer ihn bucht, wird nicht höflich gefragt, wie es ihm gerade geht? Wie der Urlaub war? Was denn die Nachbarin macht? Und er muss sich auch nicht anhören, was der Frisör, die Frisörin in der letzten Zeit so alles erlebt hat. Das Einzige, was er hört, ist das leise Geklapper der Schere, das Summen des Rasiergerätes und am Ende das Brummen des Föhns. Ansonsten Stille. Eben ein „Stiller Stuhl“. Was für eine himmlische Vorstellung – ich glaube, nicht nur für mich.
Einmal ungestört zur Ruhe und zur Besinnung kommen. Keine unendlichen Wortfluten, kein Geschrei und auch kein Klingeling, kein Piep des Handys. Vielmehr die Chance, still zu werden. In diese Stille hineinzulauschen. Sich selbst zu hören und zu merken: Da ist ja noch wer – auch ganz still. Manchmal merke ich erst im Schweigen den anderen richtig.
Rogate: „Betet!“. Oder auch: „Fragt!“
Der Sonntag Rogate heißt übersetzt: „Betet!“ Oder auch: „Fragt!“. Der Sonntag macht genau dazu Mut: Immer mal wieder auszusteigen aus der Wortflut und still zu werden – und zwar vor Gott.
Er macht Mut, die eigenen Gefühle, Ängste und Fehler einmal nicht unter den Wortteppich zu kehren. Die eigenen Bedürfnisse und die Sorgen, die man sich um andere macht, nicht mit allem Möglichen zu übertönen. Er macht Mut, alle Gefühle einfach und ehrlich vor Gott zu bringen. Sich der Verbindung zu ihm bewusst zu werden. Zu ihm zu beten und ihm die offenen Fragen des Lebens zu stellen. Sich ihm hinzuhalten, damit er hört und hilft und heilt.
Aber Beten ist schwer: Für was und für wen betet man? Und die richtigen Worte fehlen sowieso. Ein altes Problem. Jesus würde sagen: Nur Mut! Denn für den, der hört, gibt es nichts Unwichtiges. Und er entscheidet auch sicher nicht je nach Formulierung, ob er eine Bitte erhört. Ich frage mich manchmal vielmehr: Braucht Gott überhaupt Worte? Er, der unser Herz kennt und um unsere Gedanken weiß wie niemand anders? Braucht er eine möglichst genaue Beschreibung des Problems, um richtig handeln zu können?
Ich glaube, es reicht ihm, wenn wir uns ihm anvertrauen. Das weiß auch der Verfasser des 1. Timotheus-Brief: Er kennt das Problem mit dem Beten, aber deswegen gibt er nicht auf. Er lässt nicht davon ab. Und er gibt seinen Leserinnen und Lesern mehr als einen Tipp – er ermahnt uns: Vor allem anderen, vor allem Denken und Reden, sollen wir beten, wir sollen bitten und fragen. Unseren Gott. Wenn wir das tun – da ist er überzeugt –, können wir ein ruhiges und stilles Leben führen. Denn dann stehen wir in einer guten Verbindung zu Gott.
Stille vor Gott macht standfest im Alltag
Und ich finde, das stimmt: Ich merke im Alltag, wie gut es tut, sich ab und zu auf den „Stillen Stuhl“ zu setzen: Immer wieder mal Platz zu nehmen und stille zu werden vor Gott macht mich standfester, wenn die Fragen und Herausforderungen des Tages an mir rütteln. Ich finde Sicherheit in der Ruhe Gottes – und werde freier und gelassener, der Unruhe dieser Welt zu begegnen. Eine wunderbare Idee, dieser „Stille Stuhl“ – nicht nur beim Frisör.