Chorwochenende im Freizeitheim. Noch müde vom Vorabend trottet die Menge durch lange Gänge zum Probenraum. Von der Eingangshalle noch einmal rechts die Treppe hoch, dann ist es geschafft.
Aber halt – auch links herum führt eine Treppe nach oben. Genauso lang, genauso steil. Nur nimmt sie keiner. Warum eigentlich nicht?
Psychologische Forschungen haben gezeigt, dass Menschen in westlichen Gesellschaften gerne rechts herum gehen. Woran das liegt, ist nicht ganz klar. Vielleicht ist es die frühe Prägung durch die Leserichtung von links nach rechts oder die Übereinstimmung mit der Drehbewegung des Uhrzeigers. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und übernimmt gern, was ihm vorgegeben ist. Das macht Entscheidungen leichter und spart Zeit.
Andererseits setzt ein Seitenwechsel, ganz wörtlich genommen, auch das Gehirn in Gang. Gemeinsam mit der Bewegung des Körpers fällt es offenbar den Gedanken leichter, die Richtung zu ändern und ausgetretene Pfade zu verlassen. In Gruppen, die kreativ sein sollen, macht man sich diese Erkenntnis zunutze: Öfter mal in einem anderen Raum arbeiten, die Sitzordnung ändern, im Gehen diskutieren statt im Sitzen – solche Techniken durchbrechen Gewohnheitsmuster und schaffen Freiheit für neue Ideen. Plötzlich werden ganz neue Perspektiven möglich.
Das zeigte sich dann auch auf der besagten Treppe: Links herum öffnete sich das Fenster – statt wie rechts auf den Parkplatz – auf den sonnendurchleuchteten Innenhof. Was für ein schöner Anblick! Bachs göttliche Musik sang sich danach noch einmal so gut.