Allerheiligenkirmes in Soest – das heißt: Wahnsinn in jeder Dimension. Je höher, schneller und verrückter sich ein Ding dreht, desto besser. Auch die jüngste Tochter liebt es, sich Körper und Hirn durchschütteln zu lassen, und kennt dabei weder Schwindel noch Übelkeit.
Gott sei Dank ist die Zeit vorbei, in der sie im Fahrgeschäft noch eine erwachsene Begleitperson brauchte. Denn ihrer Mutter geht es nach so etwas gar nicht gut …
Ein altbekanntes Phänomen: Kinder können sich stundenlang im Kreis drehen, während Erwachsenen schon nach dreimal Schaukeln schlecht wird. Eine wissenschaftliche Erklärung gibt es dafür auch: Bis ins Jugendalter ist das Zusammenspiel zwischen dem Gleichgewichtsorgan im Innenohr, Augen und Gehirn noch nicht so ausgeprägt wie bei Erwachsenen. Junge Menschen sind daher weniger irritiert, wenn sich ihr Körper an anderer Stelle befindet, als das Hirn anzeigt. Kontrolle über Zeit und Raum? Egal! Was zählt, ist der Rausch der Geschwindigkeit!
Wir Erwachsenen betrachten Rauschzustände eher mit Misstrauen – zeigt doch die Erfahrung, dass sie häufig üble Folgen haben. Das ist vernünftig, aber auch ein bisschen schade. Denn die Lust am Einfach-mal-Loslassen gehört zum Menschsein dazu. Selbst der Prediger Salomo rät: „Iss dein Brot mit Freuden, trink deinen Wein mit gutem Mut; denn dies dein Tun hat Gott schon längst gefallen.“ Das klingt nicht ganz so ekstatisch wie eine Karussel-Fahrt – aber auch bei einem guten Buch, einem Gespräch mit Freunden oder schöner Musik kann man sich fallen lassen, genießen und Zeit und Raum vergessen. Dafür muss noch nicht mal Kirmes sein.