„Bis zum nächsten Mal“ – ach, könnten wir das doch so leicht sagen in diesen Tagen. Kein Plan, der nicht im letzten Moment noch umgeworfen werden kann; kein Treffen, das nicht doch noch von Absage bedroht ist. Die Abwesenheit lieber Menschen schmerzt, und die Sehnsucht nach Nähe bleibt wieder und wieder unerfüllt.
Schmerzliche Abwesenheit – so empfinden manche es in diesen Wochen auch in ihrem Verhältnis zu Gott. Wo ist er in diesen Zeiten? Die Verunsicherungen, die sich aus all den Absagen und Vorläufigkeiten ergeben, berühren auch den Glauben. Warum plötzlich all dies Verzichten, dieses Leid, diese Einsamkeit, dieses Sterben – wo wir doch gelernt haben, dass Gott gut ist und unsere Welt in seiner Hand hält?
Manche Menschen können angesichts dieser Fragen ganz gelassen in ihrem Vertrauen auf Gott bleiben. Anderen gerät der Glauben ins Wanken. Gott scheint zu schweigen; er scheint weit weg, als habe er seinen Menschen, seiner Schöpfung den Rücken gedreht und uns in der Krise allein gelassen. Wo ist er, wenn wir ihn am meisten brauchen?
Das Gefühl von der Verborgenheit Gottes ist eine uralte Glaubenserfahrung. In der Bibel werden eindrücklich Geschichten von Menschen erzählt, die solche Gottesdunkelheiten erlebt haben: die Magd Hagar in der Wüste bei ihrem sterbenden Kind; der Prophet Elia auf der Flucht vor der Rache der Königin; Petrus, als der Hahn krähte. Erschütternde Worte für solche Erlebnisse finden die Beterinnen und Beter der Psalmen, die aus der Tiefe ihrer Zweifel zu Gott rufen.
Und die Erfahrung des verborgenen Gottes zieht sich weiter, durch die Jahrhunderte bis heute – es gibt wohl nur wenige Gläubige, die davon verschont bleiben. Auch Menschen, die ein besonders enges, existenzielles Verhältnis zu Gott haben, erleiden sie: Vorbilder im Glauben wie Johannes vom Kreuz oder Mutter Teresa klagten, dass sie sich von Gott verlassen fühlten (Seite 2); Dietrich Bonhoeffer beschrieb seine Zweifel auf anrührende Weise in seinen Briefen aus dem Gefängnis.
Ausgerechnet Martin Luther, Ikone glaubensstarker Unbeugsamkeit, war ein zutiefst zweifelnder und angefochtener Mensch. Der verborgene Gott war für ihn eine lebenslange Anfechtung, mit der er sich auch theologisch auseinandersetzte.
Wenn Gott sich verbirgt; wenn er dunkel, unverständlich und vielleicht sogar bedrohlich erscheint, ist das ein Zeichen seiner göttlichen Souveränität, meinte Luther. Niemals können wir Menschen ihn ganz erfassen; weder im Guten noch im – für uns – unverständlich Schlechten. Darum müssen wir uns an das halten, was Gott selbst uns in seinem Wort offenbart hat: dass wir Menschen von Gott bedingungslos geliebt sind, erlöst in seinem Sohn Jesus Christus, gehalten im Leben wie im Tod. Diese Zusicherung weist den Weg durch die dunkle Nacht des Zweifels. Und ab und zu leuchtet sie auf, auch im Dunkeln – in Worten oder Gesten, in einer Melodie oder einem Sonnenstrahl.