Eine Laubhütte auf einem Lkw vor dem Brandenburger Tor – so feiert die Jüdische Gemeine Chabad Berlin öffentlich das Wallfahrtsfest Sukkot. Die mobile Hütte zieht neugierige Touristen an – und fährt quer durch die Stadt.
“Sieben Tage lang ist das hier jetzt unser Haus”, erzählt Shmuel Monkes. “Hier leben wir, hier essen und feiern wir”, sagt er. “Wir machen dort alles – außer zu schlafen.” Doch das Mitglied der Jüdischen Gemeinde Chabad Berlin zeigt am Freitag nicht etwa auf einen großen Gemeindesaal oder eine neue Wohnung – sondern auf eine mobile Sukka, eine Laubhütte auf einem kleinen Lastwagen vor dem Brandenburger Tor.
Seit Wochenbeginn feiern Juden weltweit das Laubhüttenfest Sukkot, das eines der jüdischen Wallfahrtsfeste ist. In Erinnerung an den Exodus, den Auszug aus Ägypten, wird nach bestimmten Vorgaben die Sukka gebaut, eine mit Ästen, Stroh oder Laub gedeckte Hütte, die unter freiem Himmel stehen muss. Das ist laut Monkes das Besondere an dem Fest: “Hier musst du rauskommen, musst draußen feiern und bist nicht still und leise daheim.” Juden pilgerten in dieser Zeit traditionell nach Jerusalem und brachten Feldfrüchte als Opfergaben dar. Dank und Freude charakterisieren das Fest.
Die mobile Sukka soll genau das symbolisieren – während des Festes tourt die Gemeinde mit der Laubhütte quer durch die Hauptstadt, macht an touristischen Plätzen Halt und so jüdisches Leben sichtbar. “Das ist unglaublich schön, dass wir hier so etwas auf die Beine stellen können”, sagt Monkes. “Das hätte mein Opa nie gedacht. Und dann auch noch am Brandenburger Tor, wo marschiert wurde.”
Zwar müssten er und seine Gemeindemitglieder während der Aktion auf öffentlichen Plätzen einzelne Blicke und teils antisemitische Kommentare aushalten. “Aber wenn auch nur ein Jude kommt und mitfeiert, ist es uns das wert.” Viele Juden und Jüdinnen trauten sich inzwischen nicht mehr, sich öffentlich zu ihrem Glauben zu bekennen und Symbole wie eine Kippa oder eine Kette mit Davidstern zu tragen, gibt Monkes zu Bedenken. Wenn sie dann am Brandenburger Tor die mobile Sukka sähen, schenke ihnen das einen Moment der Freude.
Während Monkes erzählt, entdeckt eine israelische Reisegruppe die Sukka. Etwa 20 Menschen strömen auf den Platz am Brandenburger Tor, singen und feiern mit den Mitgliedern der Gemeinde. “Genau das meine ich”, sagt Monkes. Doch auch Menschen anderer Religionen zeigen sich neugierig, wagen Nähe. Sie sprechen den Rabbiner der Gemeinde an, Yehuda Teichtal. Er zeigt ihnen einen Palmzweig und eine Zitrusfrucht. Er gibt sie den Leuten in die Hände, erklärt, was es damit auf sich hat.
Denn der Feststrauß von Sukkot erinnert an den Charakter als Erntefest. Neben einem Palmzweig besteht er nach biblischen Vorgaben aus einem Myrtenzweig, Bachweide und der Zitrusfrucht Etrog. Sie symbolisieren in der jüdischen Tradition die gesamte Pflanzenwelt sowie die vier Charaktertypen der Menschen.
“Nach links, rechts, oben, unten”, ruft Teichtal, und zeigt, was er meint: Der Feststrauß in der Hand des Passanten muss in alle Richtungen bewegt werden. “Für Frieden und Liebe in der Welt”, wiederholt er.
Die Idee der mobilen Laubhütten komme aus New York, erzählt Monkes. Dort gibt es neben den mobilen Hütten auch spezielle Rikschas, die sogenannten Pedi-Sukkahs – Laubhütten als Fahrradanhänger für eine Person. In Berlin setzt die Gemeinde aber auf die größere Version auf dem Kleinlastwagen.
Schon seit einigen Jahren gebe es das Sukka-Mobil, so Monkes. Klein angefangen, werde die Aktion von Jahr zu Jahr größer. “Die Aktion dient auch dazu, mal aus der eigenen Komfortzone rauszukommen.” Neben öffentlichen Berliner Plätzen fahre das Mobil u Privatadressen. “Wir kommen überall dahin, wo wir gerufen werden – um zu feiern und Freude und Frieden zu verbreiten.”