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Eine „Herzenshaltung“

Gleich ein ganzes „Jahr der Dankbarkeit“ rufen verschiedene protestantische und freikirchliche Initiativen mit diesem Erntedankfest aus. Ein Buch hilft bei der Umsetzung

contrastwerkstatt - Fotolia

„Das Thema war einfach dran“, erklärt Martin Gundlach. Nach dem „Jahr der Stille“ 2010 haben verschiedene evangelische und freikirchliche Initiativen nun ein „Jahr der Dankbarkeit“ ausgerufen. Gundlach koordiniert die Initiative – und ist zuversichtlich, dass sich ihr in den kommenden zwölf Monaten „auch katholische Unterstützer anschließen“. Das Aktionsjahr beginnt mit dem Erntedankfest und endet ein Jahr später am 2. Oktober 2016.

Neue Erkenntnisse der Positiven Psychologie

Dankbarkeit scheint keine Selbstverständlichkeit zu sein. Vieles, was einem Positives im Leben widerfährt – Gesundheit, ein Dach über dem Kopf, das Leben in Frieden, das tägliche Brot, fließendes Wasser, der Sonnenaufgang – wird einfach achtlos hingenommen. Grund genug für die Initiatoren, den Blick auf vermeintliche Nebensächlichkeiten wieder mehr zu schärfen.
Flankierend zu dem Projekt hat Gundlach mit seiner Frau Anja das Buch „Danke! Ein kleines Wort verändert Ihr Leben“ veröffentlicht. Dankbarkeit sei „eines der Geheimnisse eines wirklich glücklichen und zufriedenen Lebens“, heißt es darin. Auch die Bibel halte den Menschen an, Gott dankbar zu sein. „Danket dem Herrn“ fordert etwa Psalm 106,1. Eine dankbare Lebenseinstellung ist demnach die angemessene Antwort des Menschen auf Gottes Handeln und Präsenz. „Die Bibel macht uns sehr deutlich, dass wir Menschen unser Leben und alles, was dazugehört, nicht uns selbst verdanken, sondern unserem Schöpfer und himmlischen Vater“, schreibt Gundlach.
Inspiriert ist sein kleines Übungsbuch auch von neuen Erkenntnissen der Positiven Psychologie. Demnach sind dankbare Menschen „glücklicher, weniger depressiv, weniger unter Stress und zufriedener mit ihrem Leben und ihren sozialen Beziehungen“. Die Evangelische Hochschule Tabor in Marburg hat zusammen mit der Leuphana Universität Lüneburg sogar ein entsprechendes „Dankbarkeitstraining“ entwickelt. Es soll Menschen helfen, ihre Aufmerksamkeit auf positive Erlebnisse zu richten.
Dankbarkeit lässt sich lernen und einüben – dazu will auch Gundlachs Buch anregen. In zwölf „GeDANKEn“ beleuchtet es Themenfelder, die sich dafür anbieten: das eigene Leben und das Wissen, ein Gedanke und Geschöpf Gottes zu sein; Dankbarkeit für Menschen im eigenen Umfeld – Familie, Arbeitskollegen, Nachbarn, die freundliche Verkäuferin. Oder auch für die Geschichte, im Großen wie im Kleinen. Etwa die Wiedervereinigung – ohne sie hätten sich die beiden Buchautoren nie kennengelernt, 70 Jahre Frieden in Deutschland, oder auch die sichtbaren Spuren von Gottes Anwesenheit in der eigenen Biographie.

Dankbarkeit ist keine Selbstverständlichkeit

Dankbarkeit zu spüren ist das eine – sie zu zeigen und auszudrücken das andere. Voraussetzung für ein aufrichtiges „Danke“ ist nach Grundlachs Beobachtung ehrliches Interesse am anderen, Wertschätzung und die richtige „Herzenshaltung“. Neben Worten kann man sich auch durch Gesten und Zeichen erkenntlich zeigen:  ein handschriftlicher Gruß, ein vorbereitetes Mittagessen, eine Hilfestellung, eine kleine Überraschungen für jemanden, der überhaupt nicht damit rechnet.
Dass Dankbarkeit keine Selbstverständlichkeit ist, das hat schon Jesus erfahren, schreibt Gundlach. Er heilte zehn aussätzige Männer – nur einer hielt es für nötig, sich bei ihm zu bedanken (Lukas 17,11-19). „Dankbarkeitskiller“ verhinderten oft, dass ein Mensch es wertschätzen könne, was ihm an Gutem widerfahren ist. Dazu zählt Gundlach etwa Gedankenlosigkeit, das Sich-Vergleichen mit anderen und das Hadern mit Problemen und Schicksalsschlägen. Auch das „Unzufriedenheits-Gen“, das Grübeln über vermeintliche Fehlentscheidungen und Konjunktiv-Sätze wie „Wäre ich doch, hätte ich doch, könnte ich doch…“ sei kontraproduktiv.
Und wenn das Leben keinen Grund zur Dankbarkeit liefert, die Ehe zerbrochen, das eigene Kind gestorben, die Gesundheit ruiniert ist? Es gehe nicht darum, „alles im-mer schönzureden“ und hinter allem einen Sinn zu sehen, stellt der Autor klar. Entscheidend sei vielmehr das Gefühl, sich selbst in solchen Zeiten von Gott begleitet und getragen zu wissen. Eine klare Sprache sprechen da die Klagepsalmen, in denen der Beter all seine Enttäuschung, Wut und Nöte Gott vor die Füße wirft, aber dennoch mit ihm im Gespräch bleibt. „Zu jedem Leben gehören Grenzen, Verlust, Schmerz und Scheitern“, schreibt Gundlach. Der Mensch dürfe Gott zutrauen, dass er daraus „Neues und Gutes für uns schaffen kann“. So bedeute Dankbarkeit als innere Haltung, sich bewusst dafür zu entscheiden, „das Gute in meinem Leben zu sehen, ohne das andere zu ignorieren, zu verdrängen oder abzuwerten“. KNA

Buchhinweis: Anja und Martin Gundlach: „Danke! Ein kleines Wort verändert Ihr Leben“. SCM, 60 Seiten, 14,95 Euro. Internet: www.jahr-der-dankbarkeit.net.