Gemeinden neigen oft zum Kirchturmdenken, sagte kürzlich ein Pfarrer in seiner Andacht. Damit meint man landläufig, Gemeinden würden sich nur in ihren eigenen Grenzen bewegen. „Das kann man aber auch anders sehen“, so der Pfarrer. „Man kann auf den Kirchturm hochsteigen und von dort herabblicken. Und plötzlich erkennt man Landschaft, Zusammenhänge und wo Wege zusammenführen können.“
Es kommt aber immer darauf an, wie man Dinge sieht, wie man sie deutet und interpretiert.
Auch einzelne Erlebnisse können umgedeutet werden, sogar eine Kindheit oder Jugend. Der finnische Psychiater Ben Furmann geht so weit, dass er sagt: „Es ist nie zu spät, eine glückliche Kindheit zu haben.“
Ein Beispiel: Eine Frau berichtet von ihrer Kindheit. Der Vater sei früh gestorben, die Mutter nie greifbar gewesen. Immer habe sie irgendwelche Putzstellen oder Zeitungsausträgerdienste übernommen. Als Kind schloss sie daraus: „Mama hat mich nicht lieb.“
Erst viel später, als Erwachsene, hat sie eine neue Sichtweise bekommen. Durch Gespräche erfährt sie: Ihre Mutter hat sich „den Buckel krumm gemacht“, um ihrer Tochter ein besseres Leben zu ermöglichen, auf ein Gymnasium zu gehen, statt möglichst schnell eine Ausbildung zu machen, um selbst Geld zu verdienen. „Heute weiß ich, dass mich meine Mutter geliebt hat. Auf ihre Weise“, sagt die Frau.
So ein Umdeuten geht nicht immer. Und nicht in jedem Fall. Oft gehört viel Stärke und immer Flexibilität dazu. Doch es gibt genug Situationen im Leben, da lohnt es sich zu fragen, ob man die Dinge auch anders sehen kann. Und so nach dem Guten Ausschau hält.