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Ein wahres Kraftpaket

Für den 1. Sonntag nach Epiphanias: Römer 12, 1-8

Predigttext (in Auszügen)
1 Ich ermahne euch nun, liebe Brüder, durch die Barmherzigkeit Gottes, dass ihr eure Leiber hingebt als ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig ist. Das sei euer vernünftiger Gottesdienst. 2 Und stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, damit ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene. 3 Denn ich sage durch die Gnade, die mir gegeben ist, jedem unter euch, dass niemand mehr von sich halte, als sich‘s gebührt zu halten, sondern dass er maßvoll von sich halte, ein jeder, wie Gott das Maß des Glaubens ausgeteilt hat. 4 Denn wie wir an einem Leib viele Glieder haben, aber nicht alle Glieder dieselbe Aufgabe haben, 5 so sind wir viele ein Leib in Christus, (…) 6 und haben verschiedene Gaben nach der Gnade, die uns gegeben ist.

"Ich liebe dich!“, lautet Gottes Wort am Anfang. Es kann zur Wegzehrung für ein ganzes Christenleben werden. Denn durch die Taufe wird jede Einzelne und jeder Einzelne selbst ein Teil Jesu Christi. So sieht es jedenfalls Paulus, wenn er die Christenheit in seinen Briefen mehrfach als Leib Christi beschreibt. Das klingt wunderbar und irgendwie auch rätselhaft und geheimnisvoll. Und tatsächlich ist es der Kern jenes offenen Geheimnisses, welches das Christsein ausmacht: In Jesus Christus ist Gottes „Ich liebe dich!“ Mensch unter Menschen geworden – bis zum Tod und darüber hinaus.

Gottes Dienst am Menschen

Und mit dem „Ich liebe dich!“ bekommen Christinnen und Christen ein einzigartiges Geschenk: „Gottes Gnade“ heißt es, weil die Menschen nichts dazu beigetragen haben und dies auch gar nicht könnten. Gott verschenkt es aus Liebe. Einfach so, weil Gott Gott ist. Was ein Mensch erreicht oder getan hat, spielt keine Rolle. Im Gegenteil: Obwohl und weil Menschen Menschliches und Allzumenschliches und auf jeden Fall nichts Göttliches tun, werden sie von Gott mit Gnade beschenkt.
Gottes Tun steht im Vordergrund des christlichen Glaubens und nicht das menschliche Tun. Im wörtlichen Sinne: Gottes-Dienst – nämlich am Menschen. Grund zum Feiern! Jeden Sonntag? Nicht nur, sondern an jedem Tag! In der Kirche? Nicht nur, sondern überall: in der Familie, bei Fremden, unter Freunden, unter Feinden, auf der Arbeit, in der Freizeit. In guten und in schlechten Zeiten. „Gottesdienst im Alltag der Welt“ hat man diese Auffassung des Paulus einmal genannt.
Wer das Geschenk nicht öffnet, bleibt Gefangener in der Festung der Selbstbezogenheit. Wer es auspackt, findet einen unvorstellbaren Reichtum darin: echte innere Freiheit!
Und dann? Alles Friede, Freude, Freiheitskuchen?
Dann heißt es Liebe schenken, „das Gute, Wohlgefällige und Vollkommene“ tun, wie Paulus es nennt. Aber was konkret soll das sein? Was soll getan werden? Welche Regeln sollen für das Handeln gelten?
Eigentlich nur die eine doppelte: besonnen sein und Verantwortung übernehmen. Aus der geschenkten Liebe heraus lassen sich die Maßstäbe für das richtige Handeln gewinnen: Was Gottes Wille ist, müssen Christinnen und Christen immer wieder für die konkreten Lebenssituationen prüfen und herausfinden. Sicher: Einfacher ist es, Erfüllungsgehilfe fremder oder selbstgemachter Maßstäbe zu sein. Aber das hieße, sich vor der Verantwortung zu drücken. Und sich zu drücken, gilt nicht!

Christen übernehmen Verantwortung

Christinnen und Christen übernehmen selbst Verantwortung für die Entscheidungen, die zu treffen sind. Der Daumen am Leib weiß, was ein Daumen zu tun hat. Er verlässt sich nicht auf die Vorschriften der Vorschreiber, die ihm sagen, wie und mit wem er leben darf. Auch die Gallenblase weiß, was ihre Aufgabe ist. Sie entlarvt als ungebührlich und maßlos in der Selbstüberschätzung all jene, die ihr weismachen wollen, sie müsse Saiten zupfen oder Orgelklängen lauschen. Denn das kann und muss eine Gallenblase nicht.
Ist das nicht ein ganz schön hoher Anspruch? Ja, sicher! Aber das Geschenk ist ja auch ein wahres Kraftpaket. Es hat es wirklich in sich. Und der Daumen und die Gallenblase sind nicht allein. Der kleine Zeh, die vielen tausend Haare, die kräftige Wade und der Bizeps sind auch dabei! Amen.