Vom Tagebaubagger verschont, doch vom Verfall bedroht: Zwischen leerstehenden Häusern arbeiten engagierte Pödelwitzer daran, ihr Dorf neu zu beleben – mit Gemeinschaft, Visionen und viel Ausdauer.
Im Leipziger Land, an der Kante zu einem kilometerlangen Tagebaukrater, steht eine Art gallisches Dorf. Eines, das jahrelang dem Untergang geweiht war. 2021 dann die Wende: Pödelwitz ist dem Bagger gerade noch von der Schaufel gesprungen. Doch das sei nur die halbe Wahrheit, sagt Friederike Kaltofen. Seit 2014 ist sie Pfarrerin im sächsischen Groitzsch und dem dazugehörigen Pödelwitz. Den Kampf für Erhalt und Wiederbelebung des Ortes begleitet sie seit über zehn Jahren.
Die Erleichterung über die abgeblasene “Abbaggerung” sei riesig gewesen, erinnert sich Kaltofen. Die politische Entscheidung des Kohleausstiegs und das Engagement vieler hätten das Dorf mit seiner 700-jährigen Geschichte bewahrt. Doch schnell habe sich gezeigt: “Wir haben einen Ort gerettet, an dem sich nichts bewegt. Denn 80 Prozent der Häuser gehören der Mibrag.” Also dem Unternehmen, das den nahen Tagebau “Vereinigtes Schleenhain” betreibt und Pödelwitz wegen der Braunkohle abbaggern wollte. Die Mibrag wolle ihren Besitz aber nicht verkaufen, sagt Kaltofen. “So verschlafen der Ort auch wirkt – eigentlich ist hier Feuer drin.” In wenigen Jahren könnte die Bausubstanz der leeren Häuser aber nicht mehr zu retten sein.
Auf Anfrage heißt es von der Mibrag, das Unternehmen verfolge keine Pläne für den Verkauf seiner Grundstücke in Pödelwitz. Ein Sprecher verweist auf langfristige Prozesse mit vielen Beteiligten, um Fragen der Raumordnung und Nachnutzung zu klären, die über Pödelwitz hinausgingen.
Dabei haben die Dorfbewohner viel vor. Heute lebten zwischen 30 und 40 Menschen in Pödelwitz; früher seien es 130 gewesen, sagt Kaltofen. Ein Großteil habe ein Umsiedelungsangebot der Mibrag akzeptiert. Doch es seien auch neue Bewohner hinzugekommen. Einer von ihnen ist Mambo. Wie Kaltofen engagiert er sich im Verein “Pödelwitz hat Zukunft”. Vor sechs Jahren sei er nach Pödelwitz gekommen und lebe mit anderen Aktivisten im gepachteten Pfarrgarten in Bauwagen und einer Jurte, erzählt er.
Dass es Pödelwitz noch gebe, sei ein starkes Zeichen, sagt Mambo. “Jetzt ist wichtig zu zeigen, wie Strukturwandel aussehen kann, wenn Menschen ein Dorf mit Blick auf Gemeinwohl und Achtsamkeit für die Umwelt gestalten.” Dank der Vereinsarbeit gebe es in Pödelwitz einen Kräutergarten, eine Fahrradwerkstatt und ein Reparatur-Café. Anfang des Jahres habe der Verein einen Vielseithof von einem privaten Eigentümer kaufen können – dank Direktkrediten und Spenden. Dort sollen barrierefreier Wohnraum und inklusive Betriebe für Menschen mit Behinderungen entstehen, wie Mambo sagt. Bedarf gebe es im Dorf und im Landkreis.
Ein wichtiges Projekt für die Vision des zukünftigen Ortes, sagt Pfarrerin Kaltofen. “Pödelwitz soll ein Dorf zum Leben und Arbeiten werden, ein Ort der Begegnung mit solidarischer Landwirtschaft.” Der Erwerb des Vielseithofs und die Sanierung der evangelischen Dorfkirche hätten den Engagierten nach zwölf Jahren Kampf für den Erhalt von Pödelwitz wieder neue Energie gegeben.
Während die meisten Häuser in Pödelwitz still verfallen, wird in der Kirche gehämmert, gestrichen und gebohrt. Mithilfe von Geldgebern und Eigenmitteln seien 600.000 Euro zusammengekommen, sagt Kaltofen. Im Inneren entstehe ein gemalter Leidensweg, der an bereits zerstörte Dörfer im Umland erinnere. Auch Pödelwitz werde ein Teil davon sein – als das überlebende Dorf.
Zweifel hätten sich die Bewohner nie leisten können, sagt Kaltofen. Die verbliebenen Pödelwitzer hätten immer an ihr Dorf geglaubt. So sehr, dass auf dem kleinen Friedhof hinter der Kirche durchgehend bestattet worden sei. “Jemanden mit der Ungewissheit zu beerdigen, ob der Bagger kommt und eine Exhumierung nötig wird, ist für alle Beteiligten ein hoch emotionaler Prozess.” Und dennoch habe es Bestattungen mit 200 Menschen gegeben, die aus Solidarität gekommen seien.
“Pödelwitz ist ein Phänomen”, betont Kaltofen. Die Unterstützung für das Dorf sei nach all den Jahren ungebrochen. “Die Wiederbelebung von Pödelwitz steht außer Frage – es geht nur um das Wann.”