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Ein Klimaziel mit Abstrichen – EU schwächt Ambitionen bis 2040

Nach langen und schwierigen Verhandlungen haben sich die EU-Umweltminister auf ein Klimaziel für 2040 geeinigt. Die Treibhausgasemissionen der Europäischen Union sollen demnach in den kommenden 15 Jahren um 90 Prozent gegenüber 1990 sinken. Das Ziel ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Klimaneutralität bis 2050 – doch der Kompromiss fällt weniger ambitioniert aus als ursprünglich geplant.

Europa will bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent werden, das ist im EU-Klimagesetz festgeschrieben. Das erste Etappenziel steht bereits fest: Bis 2030 sollen die Emissionen um 55 Prozent gegenüber 1990 sinken. Zuletzt ging es um das zweite Zwischenziel. Die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, die Treibhausgase bis 2040 um 90 Prozent zu reduzieren. In begrenztem Umfang sollten auch Klimaschutzprojekte in Drittstaaten anrechenbar sein, um den Mitgliedstaaten mehr Flexibilität zu geben.

Eigentlich sollten die EU-Umweltminister dieses Etappenziel bereits im September beschließen. Doch mehrere Mitgliedstaaten, darunter Frankreich und einige osteuropäische Länder, zögerten und pochten darauf, das Klimaziel zur Chefsache zu machen und auf den EU-Gipfel Ende Oktober zu vertagen. Beim Gipfel legten die Staats- und Regierungschefs dann Leitlinien fest. Dazu gehörte, dass Klimaschutz und wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit Hand in Hand gehen sollen. Das letzte Treffen der Umweltminister galt als entscheidend, um das Klimaziel 2040 zu entscheiden. Dafür brauchte es eine qualifizierte Mehrheit. Unter anderem Frankreich und Italien hatten auf eine Abschwächung der Vorgaben gedrängt. Ungarn, die Slowakei, Tschechien und Polen konnten bis zuletzt nicht ins Boot geholt werden.

Deutschland unterstützte den Vorschlag der Kommission, die Emissionen bis 2040 um 90 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Umweltminister Carsten Schneider (SPD) betonten, das Ziel passe zu den nationalen Vorgaben. Denn Deutschland will bereits bis 2045 klimaneutral sein. Nach dem deutschen Klimaschutzgesetz sollen die Emissionen bis 2030 um mindestens 65 Prozent und bis 2040 um mindestens 88 Prozent sinken. Aus Diplomatenkreisen hieß es jedoch, Deutschland habe sein Gewicht vor Beginn der Verhandlungen nicht eingebracht. „Deutschland ist sehr leise“, sagte eine Diplomatin dem Evangelischen Pressedienst (epd). Außerdem pochte Deutschland auf eine Überarbeitung des sogenannten Verbrenner-Aus und forderte mehr Flexibilität. Nach bisheriger Regelung dürfen ab 2035 in der EU nur noch emissionsfreie Neuwagen zugelassen werden.

In den kommenden 15 Jahren sollen die Treibhausgasemissionen der Europäischen Union um 90 Prozent gegenüber 1990 sinken. Allerdings muss die EU ihre Emissionen real nur um 85 Prozent senken – die restlichen fünf Prozent kann sie sich durch Ausgleichsprojekte im Ausland anrechnen lassen. Über diese Prozentzahl war viel gestritten worden. Die EU-Kommission hatte ursprünglich eine Obergrenze von drei Prozent internationaler Emissionszertifikate vorgeschlagen – unter anderem Deutschland unterstützte das. Frankreich forderte fünf, Polen sogar zehn Prozent. Letztlich setzten sich fünf Prozent durch. Die Minister beschlossen zudem eine weitreichende Revisionsklausel, die den EU-Staaten mehr Flexibilität einräumen soll, falls sich die Klimapolitik negativ auf die Wirtschaft auswirken sollte. Außerdem einigten sie sich darauf, den Start des neuen Emissionshandelssystems ETS II für Gebäude und Verkehr um ein Jahr auf 2028 zu verschieben. Das System galt bislang als zentrales Instrument, um CO2 teurer zu machen und den Markt zu klimafreundlicheren Lösungen zu bewegen.

Das neue EU-Klimaziel für 2040 ist die Grundlage für den europäischen Beitrag zur kommenden UN-Klimakonferenz (COP 30) im brasilianischen Belém. Nach dem Pariser Klimaabkommen müssen alle Vertragsstaaten alle fünf Jahre sogenannte national festgelegte Beiträge (NDCs) bei den Vereinten Nationen einreichen, in denen sie ihre künftigen Emissionsziele festlegen. Die EU kann ihr neues NDC für 2035 jedoch erst mit der Einigung auf das Ziel für 2040 übermitteln – denn dieses bestimmt den gesamten europäischen Emissionspfad. Die Frist für die Vorlage der NDCs lief bereits im Februar ab, weshalb Brüssel unter Zeitdruck stand. Nun legten die Minister diesen europäischen Klimaschutzbeitrag fest: Das Reduktionsziel bleibt allerdings ein Korridor zwischen 66,25 und 72,5 Prozent gegenüber 1990 – eine konkrete Zahl konnten die Minister nicht vereinbaren.