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Ein ganz normaler junger Mann

Wie könnte Jesu Leben vor seinem Wirken ausgesehen haben? Das ist ein Aspekt der Passionsspiele, die in der Fastenzeit in Gelsenkirchen aufgeführt werden. Das fast ausschließlich mit Laien besetzte Ensemble ist derzeit viel mit Proben beschäftigt

„Stopp! Ich will bei dir aufkommende Wut sehen“, ruft Elmar Rasch in den Altarraum und hebt dabei energisch seine Faust. „Wende dich direkt an den hohen Rat, wenn du sagst ‚Er lästert Gott!‘ – und dann nochmal direkten Blickkontakt zu Alexander“, weist der Regisseur einen Darsteller des hohen Rats an.

Bis zur Premiere am 18. Februar ist nicht mehr viel Zeit. Die Proben der zweiten Passionsfestspiele in der

Zum zweiten Mal wird die Passion aufgeführt

evangelischen Kirche in Gelsenkirchen- Rotthausen laufen auf Hochtouren. Dem Publikum wird eine neue Interpretation der altbekannten Geschichte präsentiert.

Das rund 25-köpfige Ensemble steckt bereits in den Kostümen. An den detaillierten Regieanweisungen wird Elmar Raschs Anspruch an seine Schauspieler deutlich. Sie proben, bis in dieser biblischen Szene alles stimmt: Ausdruck, Emotionen und das Gesamtbild sollen überzeugen. Bis auf einen sind alle Laien-Darsteller und engagieren sich so ehrenamtlich.

Bereits vor zwei Jahren wurde die Passion in Gelsenkirchen aufgeführt und begeisterte über 2000 Zuschauer – auch über die Region hinaus. Einige Darsteller von damals sind auch jetzt wieder dabei. Die Aufregung während der Proben wenige Wochen vor dem Auftakt ist ihnen bekannt. Schon wird die nächste Szene geprobt. „Weg! Weg mit euch, verschwindet! Dies ist das Haus meines Vaters“, tobt Alexander Welp mit viel Präsenz in der Rolle des Jesus über die Bühne, um die Händler aus dem Tempel zu vertreiben. Neben ihm steht sein Freund Judas, gespielt von Jesse Krauß.

Wer die Passion von 2013 kennt, kommt ins Staunen: Die beiden Schauspieler verkörpern dieses Mal die Rolle des anderen – vom Sympathieträger zum Verräter, und umgekehrt. „Eine Herausforderung“, wie die beiden jungen Männer finden, die ihre Rollen auch auf Grundlage des Manuskripts neu interpretieren. „Judas wird jetzt aus einem anderen Blickwinkel gezeigt, als jemand, der falsche Schlüsse zieht. Wir versuchen seine Beweggründe aufzuzeigen“, verrät Wolf-Rainer Borkowski, Autor des Stückes.

„Mit der Rolle Jesus Christus wagen wir uns auf ein Feld, wo eine Provokation vermutet werden kann“, sagt Borkowski, der die Rolle des Satans übernimmt. Die Geschichte geht mit viel Kreativität über die biblische Überlieferung der Passionsgeschichte hinaus. Porträtiert wird Jesus als junger Mann. Wie mögen die Jahre in Nazareth vor seinem Wirken ausgesehen haben?

Für die menschliche Zeichnung des jungen Jesus wagen Regisseur und Autor den Griff in die Fiktion und zeigen Begebenheiten, die der Geschichte Auftrieb geben. Die Zuschauer begleiten Jesus ein Stück auf seinem Weg und lernen verschiedene Facetten seiner Person kennen. Über Jesus mutmaßt Borkowski augenzwinkernd: „Er ist ein ganz normaler junger Mann, der sich verliebt haben könnte. Der aber spürt, dass Liebe mehr ist als Egoismus zu zweit, und der weiß, seine Liebe gilt nicht nur einem Menschen, sie gilt der Welt.“ Eine fiktive Jugendfreundin habe er der Geschichte hinzugefügt.

Regisseur Rasch, künstlerischer Leiter der „Bühne im Revier“, findet es gut, den Lebens- und Leidensweg Christi mit einem kleinen Ensemble in einer Kirche zu inszenieren: „Im kleinen Rahmen ist das eine echte Herausforderung. Wenn man mit wenigen Leuten Masse darstellen

Aufführung ohne Popmusik und Neonlicht

will, ist jeder einzelne Darsteller viel mehr gefordert, als wenn das Ensemble aus 120 Personen besteht.“ Damit spielt Rasch auf die Passion im Sauerländischen Hallenberg an, die er im Jahr 2000 groß in Szene setzte. „In der Kirche sitzt das Publikum mittendrin und ist Teil des Geschehens, das ist ein besonders atmosphärisches Theatererlebnis“, betont er.

Mit dieser Inszenierung wollen Autor und Regisseur etwas Neues schaffen, jedoch keine moderne Übersetzung des Stoffs – sie kommt ohne Popmusik und Neonlicht aus und gibt der Phantasie Raum.

Premiere der Passionsfestspiele ist am 18. Februar um 19 Uhr. Anschließend gibt es 15 weitere Aufführungen bis einschließlich Ostermontag. Ort: Evangelische Kirche in Gelsenkirchen- Rotthausen. Spielplan, Eintrittspreise und Ticketreservierungen im Internet: www.buehneimrevier.de oder telefonisch: (02 09) 14 97 98 66.