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Ein Büro für Träume

Seit 1995 gibt es das „Traumbüro“ bei Hamburg. Dorthin können sich Menschen wenden, die sich mit ihren Träumen beschäftigen wollen

Vor vielen Jahren hatte Waltraud Kirschke einen besonderen Traum. Sie sah ihre Kirche am Tag des Erntedankfests. Vorne im Gottesdienstraum lagen einige harte Brotlaibe auf einem Tisch. Eine Vase mit wenigen dürren Kornhalmen stand daneben, auch ein paar kleine Äpfel gab es – aber insgesamt machte alles einen sehr kärglichen Eindruck. Waltraud Kirschke saß mitten in der versammelten Gemeinde – aber plötzlich befand sie sich irgendwo in der Luft über dem Kirchendach. Von dort aus sah sie, dass rund um das Kirchengebäude herum ein üppiges Kornfeld in der Sonne wogte: leuchtend gelber Weizen bis zum Horizont und bunte Blumen dazwischen.
Für Waltraud Kirschke war dieser Traum ein Bild für die Bereicherungen, die oft außerhalb des Kirchendenkens lägen und die nur darauf warteten, in den christlichen Lebensalltag integriert zu werden. „Mit seiner emotionalen Qualität könnte der Traum unserem oft sehr nüchternen, wortbetonten und kopforientierten christlichen Lebensstil eine neue Tiefe und Lebendigkeit geben“, findet Waltraud Kirschke.
Gemeinsam mit dem Theologen Hartmut Ast gründete die Kunsttherapeutin 1995 das „Traumbüro“ in Hamburg. Ausschlag dazu gab ein gemeinsamer Bekannter. Der Psychologe Klausbernd Vollmer, der sich auf Träume spezialisiert hat, hatte Anfang der 1990er Jahre die Idee von Traumbüros in jeder größeren Stadt Deutschlands. „Bis auf das Traumbüro in München und Hamburg konnten sich die anderen leider nicht auf längere Zeit halten“, erzählt Waltraud Kirschke. Mittlerweile gebe es nur noch ihr Büro, das ins Hamburger Umland gezogen ist.
Ziel der Beratungsstelle ist es, möglichst vielen Menschen den Zugang zu ihren Träumen zu ermöglichen und ihnen zu helfen, diese zu verstehen. Waltraud Kirschke und Hartmut Ast wollen den Ratsuchenden helfen, die Sprache der Träume zu entschlüsseln und konkrete Erkenntnisse und Lebenshilfe daraus zu ziehen. Dabei legen sie besonderen Wert auf die spirituelle Dimension der Traumdeutung. „Träume gehören zu den Ursprüngen der christlichen Tradition“, sagt Waltraud Kirschke.
Jedoch sei das Nachdenken über den Traum und dessen Bedeutung inzwischen weitgehend ausgelagert in die Hände von Psychologen, Therapeuten, Ärzten und nicht selten auch Wahrsagern oder esoterischen Gruppen. „Dabei hätten wir als Christen einen wichtigen Aspekt zu diesem Thema beizutragen – nämlich die spirituelle Bedeutung des Traums.“
In den mehr als 20 Jahren haben sich Menschen vor allem in persönlichen Umbruchsituationen wie Scheidung, Krankheit, Jobwechsel oder Tod von Angehörigen an das Traumbüro gewendet. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die eigenen Träume oft als wertvolle Wegweisung und Hilfe empfunden werden“, berichtet Waltraud Kirschke. Viele Menschen würden erleben, dass ihre Träume in ihrer originellen Bildersprache nicht nur das eigene Lebensthema beziehungsweise das derzeitige Problem auf den Punkt brächten, sondern oftmals auch den Ansatz für die Lösungsstrategie aufzeigten. „Sie erleben häufig auch, dass aus ihren Träumen etwas spricht, was über eine rein psychologische Hilfestellung hinausgeht.“ Im Prinzip könnten sich – so die Ansicht der Kunsttherapeutin und des Theologen vom Traumbüro – Träume auf alles beziehen, was das Leben ausmacht. Auf die kleinsten Probleme des Alltags ebenso wie auf die großen Fragen des Lebens.

Im Internet: www.traumbuero.com. Kontakt: Telefon (01 71) 3 21 59 12 oder E-Mail: traumbuero@creacomm.de.