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Eigene Erwartungen überprüfen

Die meisten älteren Menschen wollen ihr vertrautes Umfeld nicht verlassen. Dennoch kann es gute Gründe geben, etwa nach dem Tod des Partners noch einmal umzuziehen. Ein Umzug im Alter will wohlüberlegt sein

eddy02 - Fotolia

Seit dem Tod ihres Ehemanns vor sechs Monaten hat sich das Ein-kommen von Renate Engel (74) drastisch verringert. Sie weiß nicht, ob sie mit ihrer Witwenrente die bisherige Wohnung halten kann. Die Kinder drängen: „Mutter, zieh doch in eine kleinere Wohnung in unsere Nähe.“ Für Renate Engel würde das bedeuten, sich 400 Kilometer weit weg eine neue Heimat aufzubauen. Ein Schritt, vor dem sie zurückschreckt. „Einen alten Baum verpflanzt man nicht“, zitiert sie eine bekannte Redensart.

Keine überhastete Entscheidung treffen

Umfragen zeigen, dass 70 Prozent der Deutschen sich nicht vorstellen möchten, im Alter die vertraute Umgebung zu verlassen und womöglich ihre gewachsenen Kontakte in Nachbarschaft, Kreisen und Vereinen zu verlieren, in denen sie über Jahrzehnte verwurzelt waren. Auch die Vorstellung, erst noch neue Einkaufsmöglichkeiten, Ärzte, kulturelle Angebote oder eine neue Kirchengemeinde zu finden, schreckt viele ältere Menschen ab. Zudem müssen Möbel, liebgewordene Erinnerungsstücke, Hausrat, Bücher und Bilder aussortiert und zurückgelassen werden. Keine leichte Aufgabe, sondern echte Seelen- und Trauerarbeit.
Die kommunale Seniorenberaterin Christine Brandi rät von einer überhasteten Entscheidung für oder gegen einen Umzug nach dem Tod eines Partners ab. „Prüfen Sie genau, welche Erwartungen Sie mit einem Umzug verbinden“, rät sie Senioren. Wichtig ist Christine Brandi, dass Senioren möglichst realistisch einschätzen, was Kinder, die darauf drängen, in ihre Nähe zu ziehen, wirklich leisten können. Denn oft schaffen die es nicht, ihre Eltern so viel wie versprochen zu besuchen, zu unterstützen oder zu beschäftigen – trotz bester Vorsätze. „Erwachsene Kinder in der Nähe sind kein Ersatz für ein intaktes vertrautes soziales Umfeld“, so Christine Brandi.
Frisch Verwitweten rät sie zudem, vor einem Umzug genau prüfen zu lassen, ob sie aufgrund ihrer neuen finanziellen Situation nicht berechtigt sind, Wohngeld zu bezie-hen, so dass ein Verbleib in der vertrauen Wohnung möglich ist. Sollte das Sozialamt allerdings die bisherige Wohnung für zu groß befinden und zum Umzug auffordern, hat ein Einspruch oft Aussicht auf Erfolg. Seniorenberaterin Christine Brandi rät in diesem Fall, mit der positiven Bedeutung der vertrauten Umgebung im Alter und möglichen Folgekosten einer Entwurzelung zu argumentieren.

Auf mehreren Wegen nach Wohnung suchen

Und was, wenn ein Umzug dennoch das Richtige ist? Etwa, weil es aufgrund abnehmender Kräfte geraten ist, ins betreute Wohnen umzuziehen? Oder weil die bisherige Wohnung im Unterhalt doch zu teuer ist? Weil sie den nötig gewordenen Aufzug nicht bietet? Oder wenn Haus und Garten nicht mehr allein gepflegt werden können? Oder wenn der überlebende Partner möglicherweise zu vereinsamen droht, weil auch die alten Bekannten und Freunde wegsterben und damit wichtige Sozialkontakte?
Bei der Wohnungssuche, egal ob im vertrauten Stadtteil oder an einem ganz anderen Ort, sollten auch Senioren sich nicht auf Anzeigen in lokalen Printmedien beschränken. Denn viele Wohnungen werden heute in Online-Portalen angeboten. Wer selbst im Internet nicht zu Hause ist, findet sicher bei Kindern, Enkeln oder im Bekanntenkreis Unterstützung. Schon etliche Wochen bevor der Umzugswagen kommt, muss entschieden werden, welche Möbel und Besitztümer mit in das neue Domizil sollen und können. „Sich trennen müssen und loslassen ist schwer. Was zurückbleiben muss, entscheidet sich oft einfach schon am Grundriss der neuen Unterkunft“, weiß Andreas Meier, Umzugsberater bei einer Stuttgarter Spedition.
Inzwischen gibt es zahlreiche Speditionen, die sich auf Umzüge für Senioren spezialisiert haben und die auch beim Ausmessen und Plänezeichnen helfen. Sie bieten Einpack- und Aufbau-Service, arbeiten mit Entrümplungsfirmen zusammen und bieten einen Lagerservice an. Gut verpackt wird dort alles, über dessen Verbleib noch nicht entschieden ist, gegen Gebühr eingelagert. Ratsam ist, bei den Firmen kostenlose Kostenvoranschläge für die jeweiligen Dienste einzuholen.

Umzug ist eine Chance zum Entrümpeln

Viele Speditionen haben auch „To-do-Listen“ für alles, was im Umfeld des eigentlichen Umzuges zu erledigen ist: An- und Abmelden von Strom, Wasser, Telefon; Ummelden der Adresse, Nachsendeantrag für die Post, Einrichten eines Parkplatzes für den Möbelwagen am Umzugstag, Sperrmülltermin machen oder Handwerker für die neue Wohnung besorgen. Solche Listen tragen dazu bei, dass sich die vielen Aufgaben nicht zu einem Berg auftürmen, dem sich ein älterer Mensch womöglich kaum mehr gewachsen fühlt. Zudem helfen Listen beim Delegieren von Aufgaben an Freunde oder Familie und sorgen für Überblick.
Möbel und Hausrat, die zu schade für den Müll sind, sind oft in Sozialkaufhäusern oder Gebrauchtmöbelmärkten willkommen. Meist genügt ein Anruf, und die aussortierten Schätze werden zu Hause abgeholt. Auch Tausch- und Verschenkbörsen können hilfreich sein, um Dinge abzugeben und dabei das gute Gefühl zu haben, dass sie anderswo noch gebraucht werden.