Von Andreas Laska
„Wickelvolontariat“ – Der CSU-Politiker Peter Ramsauer darf das Copy-right auf diesen Begriff beanspruchen, mit dem Spötter seitdem die Elternzeit für Väter bezeichnen. 2006 verabschiedete die damalige Große Koalition ein Gesetz, das vom 1. Januar 2007 an das zuvor vom Staat bezahlte Erziehungsgeld durch ein El-terngeld ersetzte. Wichtigste Neuerung: Nicht nur ein Elternteil hat Anspruch auf die staatliche Leistung, wenn es zur Kindererziehung beruflich leisertritt, sondern prinzipiell beide. Rund zwei Drittel des Gehaltes zahlt der Staat hierbei an die jungen Eltern aus, jedoch nicht mehr als 1800 Euro.
Väter nehmen meist zwei Monate frei
Und dann gibt es da noch eine Sonderregelung: Falls sich beide Eltern für eine Auszeit entschließen, erhöht sich die Dauer des Anspruchs von 12 auf 14 Monate.
Von dem Moment an war das Missverständnis in der Welt. „Plötzlich haben alle von den zwei Vätermonaten gesprochen“, erzählt Volker Baisch, Gründer und Geschäftsführer der „Väter gGmbH“. Die Hamburger Firma bietet Unternehmen Konzepte und Beratung an, damit nicht nur Mütter, sondern auch Väter Beruf und Familie besser vereinbaren können. Bis heute muss Baisch immer wieder gegen das Klischee von den Vätermonaten ankämpfen. Die nämlich gibt es strenggenommen gar nicht. Wie sich die Eltern die 14 Monate aufteilen, schreibt das Gesetz mit keinem Wort vor. Es legt nur zwei drauf, wenn Vater und Mutter Elternzeit nehmen.
Dennoch: Das Modell 12+2 scheint sich durchgesetzt zu haben. Zwar ist die Zahl der Väter, die eine Auszeit nehmen, in den vergangenen Jahren stark angestiegen und lag nach Angaben des Statistischen Bundesamts zuletzt bei rund 32 Prozent. Rund vier Fünftel von ihnen beschränken sich aber auf eben jene zwei Monate. „Das hat sich einfach so eingebürgert“, sagt Baisch. Viele Chefs gingen stillschweigend davon aus, dass Väter natürlich nur zwei Monate zu Hause bleiben wollen. Und die Väter entsprächen in der Tat dieser Erwartung. „Bei einer längeren Auszeit fürchten sie Nachteile für ihre Karriere: Zurücksetzung, schlechtere Aufstiegschancen, gegebenenfalls gar die spätere Entlassung“, weiß der Unternehmensberater und zweifache Vater.
Beispiel Markus Huber. Bei jedem seiner drei Kinder hat er Elternzeit genommen. Aber immer nur zwei Monate. „Länger wäre im Job schwierig gewesen“, so der Mathematiker, der in München für BMW tätig ist. „Wenn du ein paar Monate pausierst, verpasst du so viel, dass du wieder von vorne anfangen musst.“ Und nicht nur das: Ein Kollege sei ein Jahr zu Hause geblieben, erzählt Huber. Bei der nächsten Beförderungsrunde sei er übergangen worden. Argument: Sie haben sich ja aus dem Betrieb herausgezogen, dann stellen Sie sich jetzt mal hinten an.
„Das scheint mir eher ein Einzelfall zu sein“, meint Unternehmensberater Baisch. Zur Untermauerung seiner These führt er eine Studie an, die das Berliner Forschungsinstitut SowiTra Ende des vorigen Jahres veröffentlicht hat. Nur jeder zehnte der online befragten Väter musste negative Auswirkungen auf seinen weiteren Karriereverlauf in Kauf nehmen. Auch das Vorurteil, dass nur größere Unternehmen längere „Väterzeiten“ verkraften, kann Baisch, zu dessen Kunden viele DAX-Unternehmen zählen, entkräften. „Egal ob große oder kleine Unternehmen, die Personaldecke ist heute überall dünn.“ Einen Mitarbeiter in Elternzeit zu ersetzen, stelle daher für jedes Team eine Herausforderung dar. „Es kommt auf das Klima im Betrieb an, ob die Mitarbeiter diese Zusatzbelastung gerne schultern.“
Bei Thorsten Königs hat das Klima gestimmt. „Im öffentlichen Dienst wird es gerne gesehen, wenn Väter Elternzeit nehmen“, erzählt der Chemieingenieur, der in Bonn beim Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr arbeitet. So konnte er bei beiden Kindern eine Auszeit nehmen. „Die Zeit zu Hause möchte ich nicht missen.“ So habe er eine viel intensivere Beziehung zu seinen Kindern aufbauen können. Außerdem hätten ihm die Elternzeitmonate neue Einblicke ins Dasein einer Hausfrau und Mutter gewährt. „Was Frauen mit Kindern zu Hause leisten, wird oft unterschätzt.“
Auch Markus Huber kommt ins Schwärmen, wenn er sich an seine Elternzeitmonate erinnert. „Zeit ist das wertvollste im Leben“, sagt er. „Und diese Monate mit meinen Kindern waren eine echte Qualitätszeit.“ Werdenden Vätern empfiehlt er, nicht gleich die ersten Lebensmonate des Kindes freizunehmen. „Da siehst du dem Baby beim Schlafen zu.“
„Elterngeld plus“ lohnt sich bei Teilzeitarbeit der Eltern
Wenn das Kind ein halbes oder dreiviertel Jahr alt ist, sei der beste Zeitpunkt gekommen. „Da kann man mit den Kleinen schon richtig kommunizieren.“
Glaubt man Volker Baisch, wird es noch ein wenig dauern, bis sich mehr Väter trauen, ihren Kindern zuliebe eine längere Auszeit zu nehmen. „Noch ist in vielen Köpfen fest verankert, dass natürlich die Frau nach der Geburt des Kindes in Teilzeit geht.“ Wenn dann auch der Mann noch eine längere Auszeit nimmt, werde es finanziell oft knapp. Baisch ist deshalb ein großer Verfechter des 2015 eingeführten „Elterngeld plus“. Es beträgt maximal die Hälfte des vollen Satzes, wird aber doppelt so lange gezahlt. Finanziell lohnt sich das für Paare, die beide in Teilzeit arbeiten.
Bis zu 30 Wochenstunden sind erlaubt – der Rest gehört allein der Familie. „Ein wundervolles Modell“, meint der Unternehmensberater.
Buchtipps: Horst Marburger: Mehr Geld für Mütter und Väter. Walhalla Fachverlag, 176 Seiten, 9,95 Euro. Carsten Brede-Benning: Elternzeit – Es ist Zeit Vater zu sein. Verlag Familienbande, 152 Seiten, 25,80 Euro. Voker Baisch, Bernd Neumann: Das Väter-Buch: Vaterschaft und Beruf unter einen Hut bringen. Trias; 176 Seiten, 16,95 Euro (nicht mehr überall erhältlich).