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Echt jetzt, Gott?

Über den Predigttext zum 4. Sonntag im Advent: Lukas 1, 26-38

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Predigttext
(…) 28 Und der Engel kam zu ihr hinein und sprach: Sei gegrüßt, du Begnadete! Der Herr ist mit dir! 29 Sie aber erschrak über die Rede und dachte: Welch ein Gruß ist das? 30 Und der Engel sprach zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria, du hast Gnade bei Gott gefunden. 31 Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, und du sollst ihm den Namen Jesus geben. 32 Der wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden; und Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben, 33 und er wird König sein über das Haus Jakob in Ewigkeit, und sein Reich wird kein Ende haben. 34 Da sprach Maria zu dem Engel: Wie soll das zugehen, da ich doch von keinem Mann weiß? 35 Der Engel antwortete und sprach zu ihr: Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten; darum wird auch das Heilige, das geboren wird, Gottes Sohn genannt werden. 36 Und siehe, Elisabeth, deine Verwandte, ist auch schwanger mit einem Sohn, in ihrem Alter, und ist jetzt im sechsten Monat, von der man sagt, dass sie unfruchtbar sei. 37 Denn bei Gott ist kein Ding unmöglich. 38 Maria aber sprach: Siehe, ich bin des Herrn Magd; mir geschehe, wie du gesagt hast. (…)

Nichts ist unmöglich…“ – die raue Stimme eines Brüllaffen mit der eingängigen Melodie tönt mir ins Ohr. In dem Werbefilmchen für ein Auto scheint sich die ganze Tierwelt zu verstehen: Schimpansen, Nilpferde und Schildkröten rufen sich witzige Dinge zu, sind sich einig. Klar –  hier geht es um das beworbene Auto. Das soll paradiesische Gefühle wecken. Und bei mir gelingt es auch – zumindest ein wenig.
„Bei Gott ist kein Ding unmöglich“ sagt der Engel am Ende zu Maria. Der hat nun ganz sicher mit dem Paradies zu tun –  im Gegensatz zu Autos. Doch Maria ist aus gutem Grund erschrocken. Denn was der Engel ihr sagt, klingt für sie eher nach Schwierigkeiten als nach einem paradiesischen Leben. Bibelforscherinnen und Bibelforscher haben dies in den letzten Jahren sehr deutlich beschrieben: Wie war es für eine junge Frau damals, plötzlich schwanger zu sein? Völlig zu Recht hätte ihr Verlobter sie verstoßen können. Denn die Erklärungen, die der Bote Gottes anbietet, klingen nicht ganz von dieser Welt – eher nach Paradies?
Es ist eines der längsten Gespräche in der Bibel mit einem Engel. Zunächst ist es ein Frage- und Antwortspiel. Darin stellt Maria lauter Rückfragen, die sich aufdrängen. Denn eigentlich war es schon unüblich, dass Frauen damals überhaupt gegrüßt wurden. Und dann verkündet der Engel lauter unmögliche Dinge, setzt immer noch eins drauf: Du wirst schwanger und das Königreich deines Sohnes wird kein Ende haben. Deine uralte, bisher unfruchtbare Verwandte ist bereits im sechsten Monat.
Bis zu seiner Begründung am Ende „denn bei Gott ist nichts unmöglich“ ist Maria aber wohl völlig überzeugt. Denn nun antwortet sie: „Ich bin die Sklavin des Herrn“. In den meisten Bibeln wird das deutsche Wort „Magd“ benutzt, aber das trifft den Urtext nicht genau. Denn Maria fügt sich nicht nur irgendwie untertänig drein. Vielmehr nennt sie sich ganz selbstbewusst „Sklavin“, weil sie in ihrer bedrängten Lage eine Entscheidung trifft, die frei von Angst ist im Blick auf das, was ihr blühen könnte: Nur Gott allein hat Macht über mich, keinem anderen Herren der Welt, der etwas von mir wollen wird, räume ich sie ein.
In den letzten Monaten haben Wählerinnen und Wähler verschiedene Herren dieser Welt mit einer Macht ausgestattet, die niemand für möglich gehalten hätte. So reagierte eine Kollegin frühmorgens auf die Nachricht der Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der USA mit „das ist doch nicht möglich!“. „Es ist schlimmer, denn es ist wirklich“, entgegnete ihr Tischnachbar.
In der neuen Ausgabe der Lutherbibel aus diesem Jahr ist der Vers „Fürchte dich nicht, Maria!“ bereits fett gedruckt. Vorher begann die dicke Schrifttype erst einen später bei „Siehe, du wirst schwanger werden…“ Die Möglichkeiten Gottes werden dort wirklich, wo Menschen sich nicht von Furcht lähmen lassen. Auch wenn sie von etwas bedroht sind, das wirklich da ist. Sondern sich in der neuen Lage zurechtfinden können – dabei aber selbstbewusst und beweglich bleiben.
So wie Maria: Als der Engel verschwindet, wird sie aktiv, besucht ihre „unmögliche“ Verwandte Elisabeth, die sie zu ihrem großen Lobgesang anstiftet. In ihm malt sie aus, welche Dinge bei Gott nicht unmöglich sind: wie er Gewaltige vom Thron stürzt, Erniedrigte erhöht und Menschen zu Barmherzigkeit verhilft.