Artikel teilen:

Durchwachsene Bilanz im Kampf gegen Biopiraterie

Vielleicht liegt es am komplizierten Namen des Abkommens, dass das „Nagoya-Protokoll über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile“ nicht bekannter geworden ist. Im Schatten bekannterer internationaler Verträge, allen voran das Klimaabkommen von Paris, steht es allemal. Dabei regelt das kurz „Nagoya-Protokoll“ genannte Vertragswerk wichtige Themen: In dem vor 15 Jahren, am 29. Oktober 2010, in der japanischen Stadt Nagoya beschlossenen Protokoll geht es um Biopiraterie, Artenvielfalt und Nachhaltigkeit. Es regelt den Zugang zu genetischen Ressourcen und eine gerechte Gewinnbeteiligung bei deren Nutzung.

Es sollte laut dem Bundesamt für Naturschutz (BfN) „ein zentrales Instrument sein“, um Biopiraterie zu verhindern, Nutzungsgewinne gerechter zu verteilen und gleichzeitig den Zugang zu genetischen Ressourcen wie beispielsweise Pflanzen, Tieren oder Mikroorganismen für Forschungszwecke zu fördern. Unter Biopiraterie verstehen Entwicklungsexperten Geschäfte, die beispielsweise Pharma-, Kosmetik- und Saatgutkonzerne mit Produkten machen, die auf genetischem Material oder dem Wissen indigener Völker aus armen Ländern beruhen.

Beispiele sind die Nutzung exotischer Pflanzen zur Heilung von Krebs oder zur Produktion von Biokraftstoff. Die Konzerne meldeten dazu in der Regel Patente an, die anderen dann die Forschung und Vermarktung unmöglich machten. Arme Länder gingen leer aus, wenn große Unternehmen mit ihren Ressourcen Geld verdienten – laut BfN eine „Schieflage“, die die Konferenz von 190 Staaten vor 15 Jahren in Nagoya beschäftigte.

Die Verhandlungen im Oktober 2010 in der japanischen Millionenstadt standen eigentlich schon vor dem Scheitern. Doch dann erarbeiteten die japanischen Gastgeber auf der Basis der Verhandlungen der vorangegangenen Jahre einen Protokolltext , der am letzten Konferenztag von den Teilnehmern verabschiedet wurde. Von einer „erfolgreichen Notoperation“ der Gastgeber war damals die Rede.

Rechtlich ist das Protokoll ein eigenständiges Zusatzabkommen zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt. In Kraft trat das Nagoya-Protokoll am 12. Oktober 2014, nachdem 50 Länder es ratifiziert hatten. Deutschland ist nach Auskunft des Bundesumweltministeriums, das innerhalb der Bundesregierung für das Nagoya-Protokoll zuständig ist, seit 2016 Vertragspartei des völkerrechtlich bindenden Vertrags.

Der Evangelische Entwicklungsdienst (EED) begrüßte 2010 die Beschlüsse. „Das neue Protokoll ist kein Anlass zur Euphorie, aber eine brauchbare Arbeitsgrundlage für die weitere Arbeit“, kommentierte der EED damals. Mittlerweile ist der EED in der Hilfsorganisation „Brot für die Welt“ aufgegangen, bei der Stig Tanzmann der zuständige Referent für das Nagoya-Protokoll ist.

15 Jahre danach zieht er auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) ein ernüchterndes Fazit: Zwar benennt Tanzmann als Pluspunkt, „dass es das Nagoya-Protokoll überhaupt gibt“. Doch die Hoffnungen der Zivilgesellschaft und der Staaten des globalen Südens, dass substanzielle Mittel über die Gewinnbeteiligung in den globalen Süden kommen, hat sich nach seiner Einschätzung „fast gar nicht“ erfüllt. Das wäre aber zum Schutz der Biodiversität nötig gewesen, argumentiert der Fachreferent von „Brot für die Welt“.

Er macht noch auf ein zweites Problem aufmerksam: Das Nagoya-Protokoll konzentriere sich auf rein physische Ressourcen. Doch es sei attraktiver geworden, nur noch mit genetischen Teilsequenzen zu arbeiten, etwa in der Medikamentenproduktion. Damit werde das Nagoya-Protokoll umgangen.

Beim Bundesamt für Naturschutz ist Ellen Frederichs kommissarische Leiterin des Fachgebiets „Vollzug Nagoya-Protokoll“. Es habe „das Bewusstsein erhöht, bei einer Nutzung genetischer Ressourcen das Herkunftsland zu beteiligen und gegebenenfalls Vorteilsausgleiche zu vereinbaren“, erklärt Frederichs auf epd-Anfrage. Auch habe der Vorteilsausgleich „als eines der zentralen Instrumente des internationalen Naturschutzes an Bedeutung gewonnen“. Seit Inkrafttreten 2014 „konnten viele Vertragsstaaten Verfahren etablieren, die eine deutliche Verbesserung des Zugangs zu genetischen Ressourcen bewirkt haben“, hebt die BfN-Mitarbeiterin hervor.

Auf der anderen Seite bleibe in vielen anderen Vertragsstaaten der Zugang zu genetischen Ressourcen weiterhin eine Herausforderung, wodurch Forschungsprojekte erschwert würden und Vorteilsausgleiche nicht in dem Maße stattfänden wie seinerzeit erhofft. „Trotz der Erfolge bleibt daher viel zu tun, um den bürokratischen Aufwand zu reduzieren und die Ziele von Zugang und Vorteilsausgleich zu erreichen“, resümiert Frederichs.