UK 31/2016, Israelsonntag (Seite 2: „Erben der Verheißung“, Seite 3: „Geschwisterliebe“, Seite 5: „Keine Ablösung“)
Nein! Keinen Israelsonntag! Stattdessen entdecken, wie die Evangelisten immer wieder an vielen Stellen vom Reden und Handeln des Juden Jesus von Nazareth berichten:
Mit Bewunderung sollten wir beim Bericht „Der zwölfjährige Jesus im Tempel“ (Lukas 2,41-52) würdigen, dass der Hausvater – wir wissen nur von Josef – und der Lehrer in der Synagoge in Nazareth Begeisterung für die Heiligen Schriften in dem Jungen weckten und ihre Aufgabe ernst genommen haben. Paulus ging mit der Predigt des Evangeliums immer zuerst in die jüdischen Gemeinden, erfuhr dort häufig starke Zurückhaltung. Manche Enttäuschung erlebte er. Auch der Schreiber des Matthäusevangeliums wandte sich mit dem Zeugnis von Jesus Christus an die Juden. Mit Hilfe von Schriftgelehrten konnte er viele Zitate aus dem Ersten Testament – unserem Alten Testamt – einfügen, zusätzlich klare Parallelen zu ersttestamentlichen Texten darstellen.
Der Evangelist Johannes hat wohl massive Negativerfahrungen mit „den Juden“. Dennoch betont er als zentrale Aussage in einem ausführlichen Bericht: „denn das Heil kommt von den Juden“ (Johannes 4, 22b).
Einmal im Jahr einen Israelsonntag zu begehen, hat höchstens eine Alibifunktion. Noch immer gibt es – und das ist das ganze Jahr über anzusehen – Kirchenfenster, in Stein gehauene Darstellung, Malerei und ungezählte Nachbildungen des verwitterten Sandsteinreliefs an der Wittenberger Stadtkirche von der „Judensau“. Luthers Polemik zu dieser Darstellung ist die „wüsteste und sprachlich schmutzigste Schrift“, so formuliert es Thomas Kaufmann, Professor für Kirchengeschichte. Alle Darstellungen mit gleichem Thema sollten endlich zerstört, mindestens mit einer um Verzeihung bittenden Erklärungstafel versehen werden.
In jedem Gottesdienst kann deutlich werden, dass wir duch den Juden Jesus, durch Jesus von Nazareth, den von Gott zum Christus Erhöhten, hineingeholt werden in den Bund, den Gott mit Israel geschlossen hat. Psalm- und ersttestamentliche Lesung zum Beispiel könnten so eingeführt werden, dass deutlich statt der „christlichen Überheblichkeit über Juden“ in Wortwahl und theologischer Aussage Schuld gegenüber Menschen jüdischen Glaubens und Dank an Gott, den Vater Jesu Christi, angesprochen werden.
Ruth Rogalla, Bochum
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