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Du bist ein Mensch

über den Predigttext zum 3. Sonntag nach Epiphanias: Apostelgeschichte 10,21-35

Predigttext
(…) 24 Und am folgenden Tag kam Petrus nach Cäsarea. (Der römische Hauptmann) Kornelius aber wartete auf sie und hatte seine Verwandten und nächsten Freunde zusammengerufen. 25 Und als Petrus hereinkam, ging ihm Kornelius entgegen und fiel ihm zu Füßen und betete ihn an. 26 Petrus aber richtete ihn auf und sprach: Steh auf, auch ich bin ein Mensch. (…) 28 Und er sprach zu ihnen: Ihr wisst, dass es einem jüdischen Mann nicht erlaubt ist, mit einem Fremden umzugehen oder zu ihm zu kommen; aber Gott hat mir gezeigt, dass ich keinen Menschen gemein oder unrein nennen soll. 29 Darum habe ich mich nicht geweigert zu kommen, als ich geholt wurde. So frage ich euch nun, warum ihr mich habt holen lassen. 30 Kornelius sprach: Vor vier Tagen um diese Zeit betete ich um die neunte Stunde in meinem Hause. Und siehe, da stand ein Mann vor mir in einem leuchtenden Gewand 31 und sprach: Kornelius, dein Gebet ist erhört und deiner Almosen ist gedacht worden vor Gott. 32 So sende nun nach Joppe und lass herrufen Simon mit dem Beinamen Petrus, der zu Gast ist im Hause des Gerbers Simon am Meer. 33 Da sandte ich sofort zu dir; und du hast recht getan, dass du gekommen bist. (…) 34 Petrus aber tat seinen Mund auf und sprach: Nun erfahre ich in Wahrheit, dass Gott die Person nicht ansieht; 35 sondern in jedem Volk, wer ihn fürchtet und Recht tut, der ist ihm angenehm.

Die Botschaft unseres Textes ist – eigentlich – ganz einfach: „Nun erfahre ich in Wahrheit, dass Gott die Person nicht ansieht; sondern in jedem Volk, wer ihn fürchtet und Recht tut, der ist ihm angenehm.“ (V. 34f.) Warum muss dann Lukas so lange und verzwickt erzählen, bis Petrus dieses Resümee zieht?

Die Botschaft ist leicht ausgesprochen – sie wiegt inhaltlich aber schwer und steht vielem entgegen, was bei uns Menschen üblich ist – auch in der Kirche. In allen Kulturen und Gesellschaftsformationen finden sich Abgrenzungen zwischen Menschen. Bei den Juden damals war es die Unterscheidung zwischen „rein“ und „unrein“. Petrus setzt sich bewusst darüber hinweg, ganz leicht ist es ihm wohl nicht gefallen: „Ihr wisst, dass es einem jüdischen Mann nicht erlaubt ist, mit einem Fremden umzugehen oder zu ihm zu kommen“ (V. 28a). Erst Gott muss ihm zeigen, „dass ich keinen Menschen gemein oder unrein nennen soll“. (V. 28b)

Heute sind es Unterscheidungen wie die zwischen „einheimisch“ und „ausländisch“, „weiß“ und „schwarz“, „gebildet“ und „ungebildet“ und Ähnliches. Nicht selten sind sie so selbstverständlich in unseren Alltag integriert, dass sie gar nicht mehr auffallen. Die gut situierten Gebildeten leben in dem einen Stadtviertel (mit entsprechend hohen Immobilienpreisen), die „Verlierer“ anderswo in Hochhäusern usw. Und auch ein Blick in die Kirchengeschichte zeigt eine breite Spur von Ausgrenzungen. Schon kurz nachdem die Schriften, die dann zum Neuen Testament zusammengefasst wurden, fertig waren, findet sich in einer Gemeinderegel („Didache“) die Bestimmung, dass nur Getaufte zum Herrenmahl zugelassen werden sollen. Jesus hatte sogar noch mit Zöllnern und Sündern an einem Tisch gesessen!

Dagegen wollten die Christen bereits im zweiten Jahrhundert sich wenigstens hier von den „Anderen“ separieren. Bald blieb der Zugang zur Gemeindeleitung und dann zum Priesteramt nur Männern vorbehalten, Frauen traten ins zweite Glied zurück. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entdeckten evangelische Kirchen, dass Frauen sehr wohl zum Pfarrberuf geeignet sind.

Ab dem 13. Jahrhundert wurden in den westlichen Kirchen Kinder vom Abendmahl ausgeschlossen. Bis heute gibt es evangelische Kirchengemeinden, die diesen Ausschluss immer noch praktizieren. Dass sie damit die einzige Personengruppe ausschließen, bei der Jesus eine besondere Nähe zum Reich Gottes feststellte (Markus 10,13-16), irritiert anscheinend nicht.

Gegen all dies steht die schlichte Einsicht des Petrus: „Nun erfahre ich in Wahrheit, dass Gott die Person nicht ansieht; sondern in jedem Volk, wer ihn fürchtet und Recht tut, der ist ihm angenehm.“ (V. 34f.) Nicht abprüfbares Glaubenswissen, sondern die Lebensform ist demnach entscheidend. Für die „Furcht Gottes“ gibt Petrus selbst ein gutes Beispiel. Den sich vor ihm niederwerfenden Hauptmann hebt er auf: „Steh auf, auch ich bin ein Mensch.“ (V. 26) Die Furcht Gottes ermöglicht es, menschliche Hierarchien zu überwinden. Und als zweites fügt Petrus noch das „Recht tun“ hinzu. Nicht innerliche Frömmigkeit – oder modern formuliert: Spiritualität – ist entscheidend, sondern die Zuwendung zum Mitmenschen.