Von Birgit Winterhoff
Drei Begegnungen. Drei Berufungsgeschichten, von denen der Predigttext erzählt. Jede endet mit einer schroffen Pointe. Jesus stellt Anforderungsprofile für seine Nachfolgerinnen und Nachfolger auf.
Kein Zweifel, der Mann meint es ernst: „Ich will dir folgen, wohin du gehst.“ (Vers 57) Er kommt nicht aus Langeweile oder einer plötzlichen Laune heraus. Er kommt nicht gezwungen, sondern freiwillig. Mit den besten Absichten, voll Begeisterung. Wie der Mann zu seiner Entscheidung gekommen ist, wird nicht erzählt. Vielleicht hat er Jesus schon eine Weile beobachtet, gesehen, wie er Kranke heilt und Gebeugte aufrichtet, gehört, was er predigt und wie er predigt.
Mit besten Absichten – und voll Begeisterung
„Ich will dir folgen, wo du hingehst!“ Ein Traumsatz! Und wie reagiert Jesus? Eigentlich sollte er ihm doch um den Hals fallen. Seine Sache braucht doch Begeisterte. Wohl wahr, aber nur solche, die seinen Weg ohne Illusionen mitgehen. Und so desillusioniert er den Mann. Die Füchse haben ihren Bau und die Vögel ihr Nest. Ich habe nichts, wo ich mich hinlegen und ausruhen kann. Nachfolge ist kein Schönwetterspaziergang. Es kann ein dorniger Weg sein, ein Passionsweg. Dort, wo ich hingehe, wartet das Kreuz. Lieber Mann, hast du das in deiner Begeisterung bedacht?
Der zweite Mann wird von Jesus selbst zur Nachfolge aufgerufen. „Folge mir nach!“ (Vers 59) Der Angesprochene sagt nicht nein. Er hat im Grundsatz nichts dagegen, er bittet nur um Aufschub. Nachfolge ja – aber nicht jetzt. Der Grund erscheint uns nur zu verständlich: Zuerst noch ein Werk der Barmherzigkeit, zuerst das Begräbnis des Vaters. Uns mutet Jesu Reaktion unbarmherzig an: „Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh hin und verkündige das Reich Gottes!“ (Vers 60)
Ein schlimmes Missverständnis, wenn wir das als seelsorgliche Botschaft für einen Trauernden verstehen würden, als Anweisung zur Abschaffung eines Werkes der Barmherzigkeit. Darum geht es nicht. Jesus mutet dem Mann einen Perspektivenwechsel zu. Vom Tod zum Leben. Er fordert ihn heraus, sich auf etwas Neues einzulassen, auf das mit ihm angebrochene Gottesreich.
Wer Jesus begegnet, geht ins Leben hinein, auch wenn er am Grab steht. So beruft Jesus diesen Mann, den Sieg des Lebens über den Tod zu verkündigen. Er beruft ihn zum kompromisslosen Einsatz für das Leben und zum kompromisslosen Einsatz gegen den Tod. Und das lässt sich nicht verschieben.
Zumutungen in der Nachfolge
Die Blickrichtung ist entscheidend – das ist das Thema der dritten Begegnung. Nichts gegen familiäre Bindungen, nichts gegen gebotene Abschiede – aber wer im Gestern verharrt, wird die Zukunft nicht gewinnen. Nach rückwärts sehen und nach vorne gehen, da kann man nur ins Stolpern kommen. Da wird im Bild des Textes die Furche krumm. Nur wer loslässt, gewinnt Freiheit. Ein Hinweis zur Gestaltung der Passionszeit oder Fastenzeit? Sieben Wochen ohne…
Drei Begegnungen und drei Zumutungen für Nachfolgerinnen und Nachfolger Jesu. Werden wir sie bestehen?
Predigttext am Sonntag Okuli: Lukas 9,57-62
57 Und als sie auf dem Wege waren, sprach einer zu ihm: Ich will dir folgen, wohin du gehst. 58 Und Jesus sprach zu ihm: Die Füchse haben Gruben und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege. 59 Und er sprach zu einem andern: Folge mir nach! Der sprach aber: Herr, erlaube mir, dass ich zuvor hingehe und meinen Vater begrabe. 60 Aber Jesus sprach zu ihm: Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh hin und verkündige das Reich Gottes! 61 Und ein andrer sprach: Herr, ich will dir nachfolgen; aber erlaube mir zuvor, dass ich Abschied nehme von denen, die in meinem Haus sind. 62 Jesus aber sprach zu ihm: Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.