Zwei Männer und die Alpengipfel – Beim gemeinsamen Hüttenbau wiederersteht eine tiefe und innige Freundschaft. Dabei überstrahlt die Intimität der Protagonisten bald das eindrucksvolle Bergpanorama.
In Zusammenarbeit mit filmdienst.de und der Katholischen Filmkommission gibt die KNA Tipps zu besonderen TV-Filmen:
Der Junge Pietro (Lupo Barbiero) aus Turin lernt in den 1980er-Jahren während der Sommerferien im Aostatal den Hirten-Jungen Bruno (Cristiano Sassella) kennen. Obwohl beide sehr unterschiedlich sind, teilen sie die Leidenschaft fürs Gebirge und werden Freunde. Sie erkunden gemeinsam die Umgebung, lernen sich im Spiel kennen und vertrauen, verlieren sich im Winter aber wieder aus den Augen. Dem ersten folgt ein zweiter gemeinsamer Sommer; einen dritten gibt es aber erstmal nicht mehr. 15 Jahre später begegnen sie sich jedoch als Erwachsene (Luca Marinelli, Alessandro Borghi) wieder und erfüllen ein Vermächtnis, indem sie eine baufällige Hütte in den Bergen wiederherrichten.
Die wortkarge Romanverfilmung von Felix Van Groeningen und Charlotte Vandermeersch von 2022 setzt auf eindringliche Bilder, die aber im fast quadratischen 4:3-Format gefilmt sind und weniger auf Überwältigung als auf innere Entwicklungen und Befindlichkeiten setzen. Der Fokus liegt eindeutig auf der inneren Erzählung und der emotionalen Entwicklung der beiden Männer: Auf Pietros Wahrnehmung von Bruno, ihrer selbstverständlichen Verbundenheit, die sich auch darin ausdrückt, dass der wortgewandte Pietro seinen Freund, der nicht über viele Worte verfügt, ohne weiteres versteht. Ein intimes, meisterliches Werk über das Auf und Ab des Lebens.
Luca Marinelli als Pietro und Alessandro Borghi als Bruno spielen die beiden Freunde ebenbürtig und sehr körperlich. Auch wenn ihre Beziehung nie explizit erotisch wird, weckt der Film Erinnerungen an “Brokeback Mountain”. Der Fokus des Films liegt ganz klar auf der emotionalen Entwicklung der beiden Männer. In einem solchen Setting wird die Landschaft, in die die Geschichte eingebettet ist, zum Spiegel der (seelischen) Befindlichkeiten. Diese schon im Roman zugrunde gelegten Spiegelungen haben Groeningen und Vandermeersch in “Acht Berge” meisterhaft ins Filmische übertrage.
2016 erschien der Roman “Le otto montagne” (Acht Berge) von Paolo Cognetti, der von einer bewegten Männerfreundschaft erzählt. Der Titel bezieht sich auf ein nepalesisches Mandala, das in acht gleich große Stücke unterteilt ist. Der Mittelpunkt repräsentiert das Zentrum der Welt, an dem sich der höchste Gipfel, der Sumeru, erhebt. Diesen umgeben acht Berge und acht Meere.
Diesem Mandala ist Pietro (Luca Marinelli) in Nepal zum ersten Mal begegnet. Später erzählt er seinem besten Freund Bruno (Alessandro Borghi), der am Rande des Monte-Rosa-Massivs in den Alpen lebt, die Geschichte des Mandalas. Im Roman zeichnet er es für Bruno in den Schnee, im Film auf ein Stück Papier. Dann stellt er Bruno die Frage, für die das Mandala steht: “Wer erlangt mehr Weisheit? Derjenige, der alle acht Meere überquert und alle acht Berge besteigt, oder derjenige, der den Gipfel des Sumeru erklimmt und dortbleibt?”
Bruno kann diese Frage so wenig beantworten wie jeder andere, dem man sie stellt. Doch er erklärt, von ihnen beiden sei er der Mann auf dem Sumeru und Pietro der andere. Tatsächlich sind Pietro und Bruno, obwohl sie ihre Leidenschaft für Berge und Gebirgslandschaften teilen, sehr verschieden. Pietro wächst als einziges Kind eines Ingenieurs und einer Lehrerin wohlbehütet in Turin auf. Bruno ist ein Kind der Berge. Seine Vorfahren und seine Verwandten sind Hirten. Sie verbringen den Winter im Tal, ziehen im Sommer auf die Alm und leben von dem, was Landwirtschaft in den Bergen hergibt.
Im Sommer 1984 trefen sich beide erstmals, als Pietro mit seinen Eltern im Grana verbringt, einem einst blühenden Weiler im Aostatal, in dem gerade noch ein gutes Dutzend Menschen leben. Unter diesen ist Bruno das einzige Kind. Er lebt bei seinem Onkel; sein Vater arbeitet als Maurer auf Baustellen in der Schweiz und Österreich.
Die beiden Knaben verbringen den Sommer zusammen; Bruno geht alsbald selbstverständlich bei Pietros Familie ein und aus. Sie erkunden gemeinsam die Umgebung, lernen sich im Spiel kennen und vertrauen, verlieren sich im Winter aber wieder aus den Augen. Dem ersten folgt ein zweiter gemeinsamer Sommer; einen dritten gibt es nicht mehr. Als Pietros Eltern vorschlagen, Bruno mit nach Turin zu nehmen, damit er dort zur Schule gehen kann, holt ihn sein Vater zu sich und zwingt ihn, fortan auf der Baustelle zu arbeiten. Bruno, heißt es lapidar, hatte keine Jugend, sondern musste mit 13 erwachsen werden.
Felix Van Groeningen und Charlotte Vandermeersch erzählen aus der Sicht von Pietro, der auch als Off-Erzähler figuriert. Die Story entwickelt sich chronologisch, aber mit großen zeitlichen Sprüngen und mit vielen Leerstellen. Nicht selten summieren einzelne Sätze ganze Jahre.
Es dauert über 15 Jahre, bis sich die Kindheitsfreunde wiederbegegnen. Bruno ist in der Region geblieben. Er hat sich als Maurer durchgeschlagen, will demnächst aber die Alm seines inzwischen verstorbenen Onkels übernehmen. Pietro hingegen hat sich mit seinem Vater überworfen, weil er sich weigerte, wie dieser Ingenieur zu werden, und seit zehn Jahren nicht mehr mit ihm gesprochen. Er möchte Filme drehen und Bücher schreiben, hat bisher aber nichts zustande gebracht und hält sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser.
Jetzt ist sein Vater an einem Herzinfarkt gestorben. Pietro kehrt zurück nach Turin und damit auch zu Bruno, der, wie Pietro nun merkt, in den vergangenen Jahren seinem Vater so etwas wie ein zweiter Sohn geworden ist. Im letzten Sommer hatte Pietros Vater in den Bergen ein Stück Land mit einer zerfallenen Hütte erstanden, die Bruno für ihn hätte umbauen sollen. Nun errichten Bruno und Pietro gemeinsam das Haus; die vier Monate, die sie dafür brauchen, markieren den Neuanfang ihrer Freundschaft.
Ein Steinhaus abgelegen in den Bergen, zwei Männer, sehr unterschiedlich, einander aber zugetan: Das ist die Geschichte einer bewegenden Freundschaft, die “Acht Berge” inmitten einer wild-herben Landschaft erzählt. Die Filmemacher tun es im heute wenig verwendeten, für einen inmitten trutziger Berge spielenden Film aber durchaus angebrachten 4:3-Format. Luca Marinelli als Pietro und Alessandro Borghi als Bruno spielen die beiden Freunde ebenbürtig und sehr körperlich. Auch wenn ihre Beziehung nie explizit erotisch wird, weckt der Film Erinnerungen an “Brokeback Mountain”.
Man kann “Acht Berge” als klischiert empfinden und ihm auch eine gewisse Oberflächlichkeit vorwerfen. Doch man wird dem Film von 2022, der auf fast zweieinhalb Stunden Dauer nicht nur die Lebens- und Freundschaftsgeschichten zweier Männer erzählt, sondern auch deren zerrütteten Verhältnisse zu ihren Vätern schildert, damit nicht gerecht.
Der Fokus des Films liegt ganz klar auf der emotionalen Entwicklung der beiden Männer. In einem solchen Setting wird die Landschaft, in die die Geschichte eingebettet ist, zum Spiegel der (seelischen) Befindlichkeiten. Diese schon im Roman zugrunde gelegten Spiegelungen haben Groeningen und Vandermeersch in “Acht Berge” meisterhaft ins Filmische übertrage.