Ist das Tier der bessere Mensch? Schaut man sich an, wie Zeitgenossinnen und Zeitgenossen mit Miezi, Bello oder Hasi umgehen, dann wird schnell klar: Homo sapiens neigt zum innigen Verhältnis zu seinem Haustier. Da wird die Katze zum Familienmitglied; der Hund zum Kindersatz – und im Alter ist das Tier manchmal der einzige Weggefährte, der noch bleibt.
Jahrtausende hat der Mensch die Tiere durch Züchtung und Auslese geformt, bis sie zum pflegeleichten Begleiter wurden: Ein Tier widerspricht nicht. Die Auseinandersetzungen bleiben beherrschbar. Der Mensch ist immer Chef im Ring. Das Tier liefert Achtung, Dankbarkeit und Anhänglichkeit.
Tiere können also durchaus angenehmere Zeitgenossen sein als mancher Mitmensch.
Ist das Tier damit aber auch der bessere Mensch? Hört man sich unter Tierfreunden um, dann trifft man immer wieder auf diese Haltung: Tiere haben das reinere Wesen; sie sind ohne Falsch.
Und ganz von der Hand weisen kann man diese Sicht ja nicht. Zwar können auch Tiere grausam sein. Da muss man nur zuschauen, was die Katze mit der Maus anstellt. Aber: Sie folgt damit lediglich ihrem Instinkt.
Tiere unterscheiden nicht zwischen Gut und Böse. Sie tun das, was ihnen mit ihrer Schöpfung auf den Weg gegeben wurde. Anders als der Mensch, der weiß, was richtig ist und oft genug das Falsche tut. Interessanterweise bezeichnet die Bibel gerade das als den Sündenfall schlechthin: Der Mensch hat sich dadurch von Gott entfernt, dass er im Paradies vom Baum der Erkenntnis aß und sich damit gegen Gottes ausdrückliche Weisung in die Lage versetzt hat, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden.
Tiere tun das nicht. Sie können nicht unterscheiden. Sie folgen der Schöpfungsordnung. Stehen sie damit aber auch Gott näher? Näher als der Mensch, die „Krone der Schöpfung“?
Man mag diese Frage für wichtig halten oder nicht. Aber sie bekommt noch einmal eine ganz andere Dimension, wenn man auf Massentierhaltung und industrielle Fleischproduktion blickt. Es ist eine Sache, ob man den Hund mit ins Bett nimmt, der Katze Leberpastete kredenzt, ein gemeinsames Grab für sich und sein Haustier in Auftrag gibt – wie es jetzt in Essen und Koblenz möglich ist – und dann darüber sinniert, ob man im Himmel den vierpfotigen Gefährten wiedersehen wird (siehe Seite 5).
Eine ganz andere Angelegenheit ist es, wenn man Tiere unter erbärmlichen Bedingungen zusammenpfercht und grausame Qualen erleiden lässt; nur, damit wir spottbilliges Fleisch auf den Tisch bekommen.
Wir wissen, dass das falsch ist. So darf man mit Mitgeschöpfen nicht umgehen.
Und da ist es wieder, was uns von den Tieren unterscheidet: Wir wissen, was zu tun wäre.
Aber wir entscheiden uns anders.
☐ Siehe Seite 5 unten: Menschen brauchen Vergebung, Tiere nicht.