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“Dillinger missbrauchte mindestens 20 Personen”

Mindestens 20 Personen hat der Trierer Priester Edmund Dillinger (1935-2022) laut Sonderermittlern sexuell missbraucht. Bisher war von 19 Personen die Rede. Ein Betroffener meldete sich erst kürzlich.

Der Missbrauchskomplex bleibt monströs: Gegen den 2022 gestorbenen katholischen Priester Edmund Dillinger aus dem Bistum Trier wird ein neuer Missbrauchsvorwurf erhoben. Ein weiterer Betroffener hat sich gemeldet, wie aus dem am Mittwoch vorgestellten dritten Zwischenbericht der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch im Bistum Trier hervorgeht.

Darin heißt es, Dillinger habe in der Zeit von 1961 bis 2018 mindestens 20 Personen in verschiedenen Schweregraden sexuell missbraucht. Bislang waren die beiden von der Kommission beauftragten Sonderermittler davon ausgegangen, dass er in diesem Zeitraum mindestens 19 Personen sexuell missbraucht hatte. Ihr vorläufiger Abschlussbericht war im Mai veröffentlicht worden.

Der nun nachgemeldete 20. Missbrauchsfall habe sich in den 1960er Jahren in Bitburg ereignet, schreiben die beiden ehemaligen Staatsanwälte Jürgen Brauer und Ingo Hromada. Laut Medienberichten war der betroffene Mann in den 1960er Jahren als Schüler in Bitburg von Dillinger unsittlich berührt worden. Der katholische Geistliche war ab Juli 1965 Kaplan in der Bitburger Pfarrei Sankt Peter. Dillinger habe dem damaligen Grundschüler während des Religionsunterrichts mehrfach in die Hose gegriffen. “Na, ist er dir auch an die Stange gegangen?”, sei der Betroffene anschließend von Mitschülern gefragt worden, berichtete er demnach den beiden Sonderermittlern.

Der dritte Zwischenbericht legt nun Ergebnisse der Ermittlungen bis Oktober 2024 dar, wie der Kommissionsvorsitzende und Staatsrechtler Gerhard Robbers erläuterte. Robbers war von 2014 bis 2016 rheinland-pfälzischer Justizminister. Ende April 2025 soll der Abschlussbericht erscheinen. Dillinger starb im November 2022 im Alter von 87 Jahren. Er war Priester in Kirchengemeinden im Saarland und in Rheinland-Pfalz.

Vor dem Hintergrund der Recherchen ist aus Sicht der Aufarbeitungskommission “kaum zu begreifen, dass eine Person wie Dillinger trotz allen Wissens über seine Übergriffigkeiten und Missbrauchstaten über Jahrzehnte im Dienst der Kirche verbleiben konnte”. Weiter heißt es in dem Bericht: “Die Tatenlosigkeit und das Wegschauen von kirchlichen Verantwortlichen wertet die Unabhängige Aufarbeitungskommission als bewusste Vertuschung, die zuvörderst dem Schutz des guten Namens der Kirche und des Bistums diente und die die Interessen der Opfer gröblich vernachlässigte.” Das Bistum Trier wollte sich am Mittwoch auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) nicht zu dem erneuten Zwischenbericht äußern.

Die Sonderermittler hatten im Mai zudem darauf hingewiesen, dass ihre Recherchen in Afrika noch nicht abgeschlossen seien. Dillinger, der die Hilfsorganisation CV-Afrika-Hilfe gegründet hatte, reiste mehrfach in afrikanische Länder. Brauer und Hromada hatten für weitere Recherchen ihre Tätigkeit um ein Jahr verlängert. Beispielsweise sind Kamerun und Togo im Blick.

Im Zwischenbericht stellten die – nicht bei der Pressekonferenz anwesenden – Sonderermittler ihre Bemühungen dar, “Ansatzpunkte für erfolgversprechende Recherchen in afrikanischen Staaten zu finden” – und zwar über Nichtregierungsorganisationen, kirchliche Hilfswerke, die Aufarbeitungskommissionen der anderen deutschen Bistümer und Erzbistümer, die CV-Afrika-Hilfe und das Auswärtige Amt. “Ob da viel rauskommt, können wir derzeit schlecht abschätzen”, sagte Robbers vor Journalisten. Ein Treffen mit dem Auswärtigen Amt stehe noch an.

Generell sei die Zusammenarbeit mit Stellen im Ausland in dieser Materie “schwierig, langwierig und wenig befriedigend”. Auf Nachfrage erläuterte Robbers, in manchen afrikanischen Ländern gelte Homosexualität als Straftat, die mit dem Tode bestraft werde. “Die Frage ist deshalb: Wen kann man ansprechen, ohne dass man jemand in Gefahr bringt.”

Der Historiker Lutz Raphael kündigte zudem bei der Pressekonferenz an, dass voraussichtlich im Herbst 2025 eine Aufarbeitungsstudie zum Umgang mit Missbrauch im Bistum Trier vorgestellt werden soll, in der es um die Jahre 2001 bis 2021 gehe. Dies betrifft die Amtszeiten der Trierer Bischöfe Reinhard Marx (2002-2008) und Stephan Ackermann, der seit 2009 amtiert. Kardinal Marx ist seit 2008 Erzbischof von München und Freising und war von 2014 bis März 2020 Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz.