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Diebe kommen in hellem Licht

Trügerischer Friede – Gedanken zum Predigttext des Drittletzten Sonntags des Kirchenjahres Von Uwe Baumann

Von Uwe Baumann

Du meine Güte, was schreibt der denn da? Als ob der Tag des Herrn wie ein Dieb kommt, schleichend, vorsätzlich, in offenbar mieser Absicht. Ist Paulus noch bei Trost?Irrt die Bibel gar, weil Diebe in unserer Zeit schon längst nicht mehr nur in der Finsternis auf der Lauer liegen, sondern in hellem Licht, vor laufenden Kameras, umzingelt von nervösen Journalisten? Wenn sie ihre Raubzüge mit lautem Getöse ankündigen, wenn ihnen nicht nur Politiker und Wirtschaftsbosse, sondern auch weite Teile der Gesellschaft zu Füßen liegen? „Ich mag das Stampfen und das Rasseln nicht, wenn ein General vom Frieden spricht“, heißt es in einer Liedzeile. Sie wurde nie ein Hit, denn wer beschäftigt sich schon mit Frieden, wenn er doch ständig verfügbar scheint? Es herrscht Friede. In den Kaufhäusern und in den Herzen, solange der Rubel rollt. Nichts bringt uns aus der Ruhe; Friede sei mit uns, wir haben ihn verdient. Durch Fleiß und nochmals Fleiß, mit Disziplin und Ausdauer, gegeben von der Fußball-Nationalmannschaft. Friede ist auch, weil wir die Not und das Elend vor unserer Haustür oft nur als Aufforderung zum Spenden verstehen. Ich spende, also bin ich gut. Nicht, dass alle Spenden vergebens wären. Sie sind besser als deutsche Waffenexporte oder europäische Festungsspolitik. Wie aber soll sich ein kleiner Bub freuen, wenn er einen (gebrauchten) Teddy aus dem Geschenke-Schuhkarton wickelt und sein Vater derweil von einem Querschläger getötet wird? Oder ein Mädchen, deren Mutter nach Dutzenden von Vergewaltigungen keine Liebe mehr empfinden kann? Solche Gedanken stören den Frieden. Sie verderben den Spaß im sündteuren Wellnesstempel. Sie bremsen die ausgelassene Stimmung angesichts von Schnäpp-chenangeboten und Frühbucher-rabatten. So verschwimmen auch die üblen Bilder der täglichen Nachrichten: Ach, die armen Menschen da draußen. Zum Glück sind wir von allem verschont. (…)

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Predigttext am Drittletzten Sonntag des Kirchenjahres: 1. Tessalonicher 5,1–6(7–11) 1 Von den Zeiten und Stunden aber, liebe Brüder, ist es nicht nötig, euch zu schreiben; 2 denn ihr selbst wisst genau, dass der Tag des Herrn kommen wird wie ein Dieb in der Nacht. 3 Wenn sie sagen werden: Es ist Friede, es hat keine Gefahr, dann wird sie das Verderben schnell überfallen wie die Wehen eine schwangere Frau und sie werden nicht entfliehen. 4 Ihr aber, liebe Brüder, seid nicht in der Finsternis, dass der Tag wie ein Dieb über euch komme. 5 Denn ihr alle seid Kinder des Lichtes und Kinder des Tages. Wir sind nicht von der Nacht noch von der Finsternis. 6 So lasst uns nun nicht schlafen wie die anderen, sondern lasst uns wachen und nüchtern sein.